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Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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deinem Leben gegeben?«, fragte sie, nahm den Grashalm, den ich zu flechten begonnen hatte, und ließ die Spitze über meine Haut gleiten, langsam, vom Nabel zum Brustbein.
    »Nein. In deinem?«
    »Eine, im Ferienlager. Wir schreiben uns. Ihr Name ist Celine.«
    »Was ist mit Jungen?«
    »Nichts dergleichen. Und du?«
    »Ein paar.«
    »Hätte ich mir denken können.«
    »Was soll das heißen?«
    »Für mich gibt es nur Mädchen.« Sie hatte die Hand auf meiner Hüfte und sah mir eindringlich in die Augen. Ich kam mir seltsam vor, wie ich dort lag, oben ohne, in ein ernsthaftes Gespräch vertieft. Ihr Bikinioberteil hatte grüne Blätter auf schwarzem Grund. Auf ihrem Oberschenkel war der Abdruck von Gräsern zu erkennen. »Du bist im Gegensatz zu mir unschlüssig, für welche Seite du dich entscheiden sollst.«
    »Muss ich das denn?«
    »Es wäre einfacher, wenn du es wüsstest.«
    »Einfacher für wen?«
    Sie antwortete nicht. Sie küsste mich. Und ich dachte, so einfach ist das. So sollte es sein. Sie küsste mich sanft, ihre Hand berührte leicht meine Brust und als sie näher rückte, streiften ihre Haare meine Schultern. Ihre Haare waren lang und weich und fielen mir in die Augen, als sie mich küsste, einige Strähnen gerieten in meinen Mund. Sie war überall ganz warm. Sie drehte mich behutsam auf den Rücken, küsste meinen Hals, mein Schlüsselbein, meinen Bauch. Ich spürte ihre Finger, so nahe, den Druck ihrer Hand auf mir, eine Bereitschaft, mich zu öffnen, eine Zärtlichkeit, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Sie nahm ihre Hand weg und legte sich auf mich, schob ihren Oberschenkel behutsam zwischen meine Beine. Wir fanden ohne wei teres einen gemeinsamen Rhythmus, ich spürte, wie wir uns im Einklang bewegten. Sie flüsterte mir etwas ins Ohr, beinahe lautlos, Worte, die kein Junge je zu mir gesagt hatte. »Komm, Jen. Bitte komm.« Unser Tun war ohne Angst, ohne Scham, ohne das Gefühl, lasterhaft zu sein, das ihr Vater damals in uns hervorgerufen hatte. Ich spürte, wie die Wärme aus meinem Schoß rann, den tiefen letzten Stoß, das Loslassen. Und danach das Pulsieren und die Weichheit von Amanda Ruth, die reglos auf mir lag; ihr Atem ging so schwer wie mein eigener und ihr Herz raste, so dass ich die Schläge nicht zu zählen vermochte, obwohl ich das Bedürfnis hatte, dem, was gerade geschehen war, eine Zahl oder einen Namen zuzuordnen, Bilanz zu ziehen und das Ergebnis schriftlich festzuhalten.
    So ging es den ganzen Sommer weiter. Allmählich verblasste unsere Furcht vor ihrem Vater, wenn wir uns im Schatten neben dem abgeschiedenen Tümpel oder im Bootshaus liebten. Sie bestand darauf, es im Grillraum zu tun, in dem wir einen endlos langen, schreckerfüllten Nachmittag verbracht hatten, und in jenem Raum war sie leidenschaftlicher als anderswo, als wollte sie die Vergangenheit durch ihre Verwegenheit auslöschen, die Uhr zurückdrehen.
    Bis Mitte des Sommers hätte man meinen können, Mr. Lee sei von der Bildfläche verschwunden. Er kam auch am Freitagabend nicht mehr zum Fluss. Er hatte zwei Mitarbeiter in seiner Druckerei entlassen und musste an den Wochenenden arbeiten. Mrs. Lee blieb bis zum späten Nachmittag in ihrem Zimmer, wenn wir Burger oder Garnelen grillten oder selbst gebackenes Brot in dicken Scheiben in der Pfanne goldbraun brieten, knusprig und leicht süß, mit Zitronensaft beträufelt. Wir aßen auf der hölzernen Veranda hinter dem Haus, die nicht überdacht war, genossen das Sommerlicht, lauschten dem leisen Plätschern des träge dahinfließenden Flusses, dem Hundegebell in der Ferne, den Stimmen der Mütter, die ihre Kinder zum Essen riefen. Wir tranken Limonade auf zerstoßenem Eis und Mrs. Lee schien sich über unsere Gesellschaft zu freuen.
    »In einer reinen Frauenrunde hat man viel mehr Spaß«, pflegte sie zu sagen und eine zerknirschte Miene aufzusetzen, als wären ihr die Worte herausgerutscht. Manchmal nahm ich einen süßlichen Hauch Alkohol an ihr wahr und einmal entdeckten wir drei Flaschen mit einem weinhaltigen Getränk, unter einer Papiertüte in der Speisekammer versteckt. »Nichts gegen deinen Vater«, sagte sie zu Amanda Ruth. »Doch so ist die Atmosphäre einfach entspannter.«
    In der Woche, bevor Amanda Ruth Mobile verließ, um aufs College zu gehen, hatten wir das Haus für uns alleine. Es regnete sechs Tage am Stück. Wir igelten uns im Bootshaus ein, das sich sanft auf den spindeldürren Stelzen wiegte, während das Wasser stieg und stieg, und

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