Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
Vom Netzwerk:
veranstalteten, fälschlicherweise für einen gerade einsetzenden Regenschauer halten können. Libellen tummelten sich am Ufer des Tümpels, flogen auf und ab, schwirrten bisweilen keine Handbreit an unseren Köpfen vorbei, lauter als Bienen oder Hornissen, ein Geräusch wie ein Reißverschluss, der unmittelbar neben unseren Ohren hochgezogen wurde. Die Libellen spielten immer paarweise. Sie hatten grüne Körper mit maronenfarbenen oder schwarzen Flügeln, die an der Spitze farblos wurden. Manchmal landete eine auf unserem Handtuch und lag so starr da, dass wir dachten, sie sei dabei zu verenden.
    Amanda Ruth war von den Lebensumständen der Insekten fasziniert, konnte gar nicht genug davon bekommen: von den Grillen mit ihren hohen, wippenden Schrillleisten, den Wespen mit ihrer Lethargie, wie sie ungeschickt über die Fliegengitter an den Fenstern trippelten – sie schienen fortwährend zu stolpern, unsicher, welche Richtung sie einschlagen sollten, doch sie wirkten dennoch gefährlicher als die Bienen, die ihre pelzigen Köpfe in die Blütenkelche der Wildblumen versenkten. Einmal ließ sich eine Wespe taumelnd auf dem Top nieder, das Amanda Ruth über ihrer Bikinihose trug. Bis wir ihr das Oberteil heruntergerissen hatten, hatte die Wespe bereits ihren Weg ins Innere gefunden und sie in den Rücken gestochen. Ich forderte sie auf, sich bäuchlings auf ein Handtuch zu legen, während ich den winzigen Stachel mit meinen Fingernägeln entfernte. Der Sommer hatte begonnen und wir hatten bereits Stunden im Schlauchboot verbracht, uns mit geschlossenen Augen treiben lassen, während wir uns unterhielten und planten, problemlos unsere Freundschaft erneuerten, die uns seit der Kindheit und noch als Heranwachsende verband. Unsere Haut, blass von den Tagen in geschlossenen Räumen, bekam schnell einen Sonnen brand und ihre Schultern fingen an, sich zu schälen. Nachdem ich den Stachel entfernt hatte, rieb ich ihr den Rücken mit Sonnenlotion ein, dann setzte ich mich neben sie in den Schatten und begann, Grashalme zu flechten.
    »Das ist nicht fair«, sagte sie. »Du trägst dein Oberteil.«
    »Und?«
    »Zieh es aus.«
    »Soll das eine Aufforderung zum Tanz sein?«
    »Klar, zum doppelten Rittberger.«
    Ich band die Schleifen im Nacken und zwischen den Schulterblättern auf, dann warf ich mein Bikinioberteil ins Gras. Ich legte mich auf sie, spürte die samtige Kühle ihrer Haut, die Biegung ihres Rückens unter meinem Bauch.
    Ich hatte kein anderes Mädchen angerührt seit dem Tag, als wir erwischt worden waren, beide nur noch ein Häufchen Elend, in Tränen aufgelöst, voller Angst und Scham. Die Jungen in der Schule mochten mich und ließen nicht locker; mehrmals war ich splitterfasernackt im Schlafzimmer derjenigen gelandet, die sturmfreie Bude hatten. Meistens machte es mir Spaß, obwohl mir schien, als sei nur mein Körper beteiligt, während meine Gefühle und mein Verstand Distanz hielten. Die Jungen kamen mir ausnahmslos unreif vor, entweder waren sie zu sehr von sich selbst eingenommen oder zu schüchtern. Ihre Körper behaarung sah zerrupft aus, bildete unregelmäßige Muster. Vielen hafteten Schweißgeruch an oder, schlimmer noch, der überwältigende Duft von Eau de Cologne. Sie sprachen über Dinge, die mich nicht interessierten: Fußball, Bier, Fernsehen und über laute Highschool-Bands mit nichts sagenden Namen wie Fruit und Not the Senate , deren Musik mich nicht vom Hocker riss.
    Als ich auf Amanda Ruth lag, hatte ich Schmetterlinge im Bauch, doch gleichzeitig das Gefühl, meinen Platz im Leben gefunden zu haben, bei ihr. Ich verspürte eine in nere Harmonie, die ich seit unserem letzten Beisammensein nicht mehr empfunden hatte. Ihr Körper war mir genauso vertraut wie mein eigener, obwohl sie sich seit jenem Tag im Bootshaus verändert hatte, eine nie da gewesene Sanftheit und Ruhe ausstrahlte. Sie war noch schmaler gebaut als die Jungen, die ich kannte, ihre Taille war so schmal, dass ich mir vorstellte, wenn ich ein Mann von kräftiger Statur wäre, könnte ich sie mit meinen beiden Händen umspannen, so dass sich die Fingerspitzen berührten.
    Nach einer Weile bewegte sie sich; wir drehten uns auf die Seite, den Kopf auf die Hand gebettet, unsere Gesichter unmittelbar gegenüber auf dem Handtuch. Wir lagen eine Minute oder länger da, blickten uns an und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich spürte, dass sie sich inzwischen verändert hatte, erfahren war.
    »Hat es seither andere Mädchen in

Weitere Kostenlose Bücher