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Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Im blauen Licht der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Richmond
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spielen.«
    Bill Clinton sieht Graham argwöhnisch an. »Kein happy happy in Freizeiteinrichtung. Happy happy ist gegen Bestimmung.«
    »Wir sind nicht wegen happy happy hier. Wir wollen uns nur unterhalten«, klärt Graham ihn auf.
    Bill Clinton trommelt mit dem Kugelschreiber gegen das Klemmbrett. »Sie wollen Halle benutzen, Sie müssen spielen. Sie können ausweisen?«
    »Na gut«, gibt sich Graham geschlagen, notiert seinen Namen und seine Kabinennummer und schiebt seinen Führerschein über das Pult.
    Bill Clinton begutachtet den Führerschein ausgiebig, dann sagt er: »Zwei Sekunden ich bringe zwei Schläger, dann Sie spielen Racketball.« Er holt ein Päckchen Tabak aus seiner Tasche und beginnt, sich in aller Ruhe eine Zigarette zu drehen. Er raucht und blättert dabei in einem Magazin. Das Magazin enthält unzählige Fotos von Frauen in rosafarbenem Bikini, die affektierte Posen einnehmen. Als von seiner Zigarette nur noch ein Stummel übrig ist, legt er die Zeitschrift beiseite, verschwindet in einem Hinterzimmer und kehrt mit zwei Schlägern zurück. »Sie Spiel beenden um zwölf Uhr dreißig. Um zwölf Uhr dreißig Licht aus.«
    Sobald wir in der Halle sind, setzen wir uns in die Mitte auf den Boden, die Schläger neben uns. Wir verbringen den größten Teil der uns zugestandenen halben Stunde damit, uns auf Kosten des mürrischen Hallenwarts zu amüsieren. Wir lachen Tränen. Ich komme mir vor wie bei den Klausurtagungen in Amanda Ruths Kirchengemeinde, als wir Teenager waren. Wir blieben die ganze Nacht wach, vertrieben uns die Zeit mit Brettspielen und tranken Cola. Am Morgen lagen wir, alle viere von uns gestreckt, auf dem Boden der Versammlungshalle, benommen vor Erschöpfung. »Hey!«, ruft uns plötzlich eine Stimme von der Zuschauerplattform zu. »Sie nur bleiben, wenn spielen.« Der Hallenwart nuschelt, ist nicht ganz sicher auf den Beinen.
    »Gewiss doch, Kumpel«, ruft Graham in freundschaftlichem Ton zurück. Er nimmt den Schläger, steht auf und schmettert den Ball gegen die Wand. Ich folge seinem Beispiel und wir halten den Ball wie durch ein Wunder im Spiel, bis sich Bill Clinton endlich trollt. Dann nehmen wir prompt wieder Platz.
    Graham holt das van-Gogh-Buch aus seiner Bücher tasche. »Hör zu«, sagt er und schlägt eine Seite auf, die er mit einem Schnipsel Zeitungspapier gekennzeichnet hat. » Gegen meine Krankheit vermag ich nichts auszurichten . Das ist das Gute daran. Ich kann sehr wohl etwas tun.«
    Ich schöpfe Mut. »Gibt es ein neues Heilmittel? Eine alternative Behandlungsmethode?« Ich habe die absurde Vorstellung, wie Graham und ich in New York City im Rain oder irgendeinem anderen Lokal grünes Chicken Curry essen und uns einen Woody-Allen-Film im Lincoln Plaza anschauen.
    »Nein. Medizinisch ist nichts mehr zu machen. Was ich meine, ist, dass ich die Sache selbst in die Hand nehmen kann, solange es noch geht.«
    »Du meinst doch nicht etwa –«
    »Stell dir vor, du könntest bestimmen, wann und wo du stirbst. Die bewusste Entscheidung treffen, aus dem Leben zu scheiden, solange du noch im Vollbesitz deiner Kräfte bist und noch einigermaßen funktionierst.«
    Panik steigt in mir auf. »Ich hätte dich nicht für einen Menschen gehalten, der einfach aufgibt, sein Leben wegwirft.«
    »Das ist kein Leben, wenn man nicht mehr in der Lage ist, zu laufen oder sich zu lieben, Briefe zu schreiben, eine Gabel zu benutzen, sich nicht einmal mehr die eigenen Schuhe zubinden kann.«
    Ich stehe auf und werfe den Ball in die Luft, hole mit dem Schläger aus, treffe. »Lass uns eine Runde spielen«, schlage ich vor, bemüht, das Thema zu wechseln.
    Ich versuche den Ball zu erwischen, als er von der Wand zurückprallt, schlage jedoch daneben. Graham zieht an meiner Hand. »Zum Schluss sammelt sich immer mehr Kohlendioxid im Blut an. Man erstickt im Schlaf.«
    Plötzlich erlöschen die Lichter und in der Halle herrscht pechfinstere Nacht. Ich lasse meinen Schläger auf den Boden fallen und setze mich neben ihn. »Das tut mir Leid«, sage ich, in dem Wissen, dass er etwas von mir verlangt, was ich ihm nicht geben kann.
    »Mir auch.«
    Selbst in diesem widerhallenden Raum, umgeben vom Geruch nach Schimmel, Schweiß und Tennisschuhen, begehre ich ihn. Ich knöpfe mein Hemd auf, lege seine Hand auf meine Brust. Er entspannt sich, rückt näher und dann entkleiden wir uns gegenseitig, unsere Hände bewegen sich in fieberhafter Eile über Knöpfe und Reißverschlüsse. Er zieht mich auf

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