Im Dienste der Comtesse
falls er so unhöflich ist, eine Bemerkung darüber zu machen, dann vermitteln Sie ihm den Eindruck, dass Sie wegen Ihrer Trauer Trost in Ihrer Kunst gesucht haben. Danach wird er keine Fragen mehr stellen.“
Mélusine runzelte die Stirn. „Nur wegen Daniel habe ich selbst im Atelier Schwarz getragen. Wenn ich nicht besser aufpasse, habe ich bald nichts Passendes mehr anzuziehen, wenn ich ausgehe. Im Moment kommt mir das aber sehr gelegen. Séraphin ist ein Mensch, der sich bei seiner Kleidung nie mit weniger als der allerfeinsten Seide zufriedengibt, ganz gleich, was er gerade tut.“
„Er ist also ein Stutzer?“, fragte Pierce nach, während er seinen Gehrock anzog und die Perücke wieder aufsetzte.
„Nein“, widersprach sie gedehnt und ging langsam die Treppe hinunter. „Er trägt zwar Spitze, Seide und Parfum, aber im Grunde ist er eher wie Sie, finde ich. Er ist größer als Sie, bewegt sich jedoch – nun, wie könnte man es ausdrücken? – nicht ganz so wie Sie. Aber er besitzt die gleiche, fast arrogante Selbstsicherheit, dass sein Körper ihm nicht den Dienst versagen wird. Das ist nicht bei allen Männern so. Für Bertier traf das auch zu, obwohl er so viel älter war. Für den König hingegen nicht, er watschelt …“ Sie verstummte, als sie den Fuß der Treppe erreichten. „Sie müssen mir später sagen, was Sie von Séraphin halten“, bat sie leise. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Pierce sah ihr an, wie sie sich innerlich auf die bevorstehende Begegnung vorbereitete. Als sie die Augen wieder aufschlug, merkte sie, dass er sie beobachtete. „Séraphin ist stets so anmutig und elegant, dass ich mich in seiner Gegenwart immer ganz unbeholfen fühle“, gestand sie kläglich. „Ach, aber daran kann ich nun mal nichts ändern, also will ich auch nicht darüber nachdenken.“
„Wenn es Ihnen zu unangenehm wird, sagen Sie ihm, er solle das Haus verlassen“, schlug Pierce vor. „Ich werde dann dafür sorgen, dass er es auch wirklich macht.“ Selbst wenn er Séraphin nicht längst im Verdacht hätte, der Erpresser zu sein, wäre er Mélusines Schwager nicht sonderlich gewogen gewesen. Er schätzte es nicht, gesagt zu bekommen, er wäre wie ein anderer Mann, schon gar nicht, wenn dessen Beschreibung dahin ging, dass er Spitze und Parfum bevorzugte.
Séraphin stand mit dem Rücken zum Kamin, als Mélusine den blauen Salon aufsuchte. Er war der eleganteste Raum im ganzen Haus, aber weit entfernt von dem Prunk im Hôtel de Gilocourt, und bestimmt nicht der ausreichende Rahmen für Séraphins Vorstellungen von Stil und Geschmack.
Er schien nicht verändert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Als Bruder und Erbe von Bertier hatte er nur sechs Monate lang Trauer tragen müssen, und so erblickte sie ihn nun in ausgewählter höfischer Aufmachung.
Als er sie eintreten hörte, drehte er sich um und kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu. „Meine liebe Schwägerin, ich bin froh, Sie wiederzusehen!“
„Vielen Dank.“ Sie erduldete den züchtigen Kuss auf ihre Wange und wich einen Schritt zurück, sobald es die Höflichkeit erlaubte. „Ich freue mich ebenfalls, Sie hier zu empfangen. Wie geht es Ihnen?“
„Ausgezeichnet. Ich bedauere, Sie heute Morgen verpasst zu haben. Georges teilte mir mit, Sie hätten Ihre Aufwartung gemacht.“
„Ich dachte, Sie wären noch in Versailles? Bitte, nehmen Sie doch Platz.“ Sie wies auf das Sofa und war sich sofort wieder ihrer eigenen Unbeholfenheit bewusst, als er anmutig ihrer Aufforderung nachkam.
Sie glaubte nicht, dass eine solche Eleganz dem Adel angeboren war, sonst hätte Ludwig XVI. eine weitaus beeindruckendere Figur gemacht. Aber Séraphin verlieh selbst den banalsten Tätigkeiten einen schillernden, aristokratischen Glanz.
„Ich kehre regelmäßig nach Paris zurück“, erwiderte er. „Es war sehr nachlässig von mir, Sie nicht schon früher aufgesucht zu haben. Ich hatte nicht erfahren, dass Sie wieder hier sind.“
„Ich bin auch erst vor ein paar Tagen angekommen“, beruhigte Mélusine ihn.
„Wenn ich Ihnen irgendwie zu Diensten sein kann, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid. Wer kümmert sich um Ihre Angelegenheiten – Ihre Erbschaft von Bertier?“
„Monsieur Barrière, er war Bertiers Anwalt …“
„Einer von vielen“, unterbrach Séraphin sie. „Ich hatte keine Ahnung, dass Bertier in so viele Geschäfte verwickelt war, bis ich die Gelegenheit hatte, seine Unterlagen durchzusehen.“
„Ich war
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