Im Dienste Der Koenigin
sie niemand, und so gelang es ihr, ihre Augen und Ohren überall zu haben - galt sie doch den übrigen, oberflächlichen Höflingen eher als ein »Möbelstück« denn als ein wirklicher Mensch. Céleste unterzog auch ihren zweiten Schwager einer genauen Beobachtung und was sie entdeckte, war geeignet, sie zu beruhigen. Der Duc de Chevreuse schien ein friedlicher und sanftmütiger, vor allem aber ein vollkommen harmloser Mann zu sein. Gut fünfzehn Jahre älter als Marie und bar jeden Ehrgeizes, war er nur danach bestrebt, sowohl mit seiner Ehefrau als auch mit seinem königlichen Liebhaber in Harmonie und Eintracht zu leben.
KAPITEL 19
DER KÖNIG VERHARRTE weiter in seiner Nichtbeachtung der Königin. So gut wie nie bekam ihn Anna zu Gesicht, außer wenn er für kurze Zeit »aus dynastischen Gründen« das Bett mit ihr teilte. Etwas, worüber Marie gar nicht nachdenken wollte.
»Allein der Gedanke daran, wie dieser Mann, der eigentlich nur seinesgleichen wirklich begehrt, sich wortlos über seine verhasste Gemahlin hermacht, um sie zu schwängern, ist geeignet, mir Übelkeit zu bereiten«, vertraute sie ihrer Halbschwester an.
Nur bei ganz seltenen, offiziellen Anlässen durfte die Königin am Hofleben teilnehmen, ansonsten war sie in ihre Gemächer verbannt. Annas Versuche, ihren Gemahl milder zu stimmen, waren schon beinahe rührend zu nennen.
So hatte sie beispielsweise längst ihre unkleidsame, dunkle, spanische Hoftracht abgelegt und zeigte sich nur noch in den nicht ganz so steifen Gewändern, die am französischen Hof en vogue waren.
Einmal hatte sie Maries Rat befolgt und es gewagt, ein etwas tiefer ausgeschnittenes Dekolleté zu tragen, aber der Effekt war lediglich negativ gewesen: Gnadenlos hatte der König sie vor dem Hofstaat verspottet, indem er sie als »Amme« bezeichnete.
»Sieht er eigentlich nicht, wie schön seine Gemahlin ist?«, fragte Céleste ihre Schwester. »Die Königin ist doch unbestritten - neben dir, Marie - die attraktivste Frau am französischen Hof. Und Ludwig, der nach überhaupt nichts aussieht, sollte froh sein, mit so einer wunderbaren Frau verheiratet zu sein. Wäre er nicht König, wer würde ihn denn schon beachten?«
»Wer kann schon wissen, was in seinem Kopf vorgeht …«, entgegnete Marie bitter. »Aber für jeden, der mit Seiner Majestät zu tun hat, ist es besser, sich auf seine grausamen Launen einzustellen. Wen er heute noch in den Himmel hebt, der kann unversehens im nächsten Augenblick ins tiefste Loch fallen.
Kummer und Schmerz über ihre beschämende Lage mögen der Königin vielleicht das Herz brechen, ihre Anmut und Schönheit leiden zum Glück noch nicht darunter.«
»Ja«, erwiderte Céleste, »Anna von Österreich scheint von der Aura einer verwunschenen Märchenprinzessin umgeben zu sein und auf die Herzen der leicht entflammbaren Nichtstuer am Hof einen unwiderstehlichen Reiz auszuüben.«
»So ist es«, stimmte Marie zu. »Ein Blick von ihr gilt bereits als Auszeichnung, ein Wort aus ihrem Mund gar als unschätzbares Pfand. Wenn die Königin erscheint, hat kein Mann mehr Augen und Ohren für die alte - und neue - Herrscherin, Maria de Medici.«
»Leider hat die Königinmutter ihren Sohn wieder fest an der Kandare.« Céleste klang verärgert. »Sie und ihr Günstling, dieser Richelieu, der neuerdings auf ihr Betreiben hin sogar den Kardinalspurpur trägt, bestimmen die Geschicke Frankreichs. Es ist schon erstaunlich, wie der junge, attraktive Mann es überhaupt fertig bringt, dieses garstige, alte Weib zu befriedigen.«
»Wahrscheinlich macht er dabei die Augen zu«, vermutete zynisch die Herzogin Marie de Chevreuse. »Durch den Tod meines ersten Gemahls, des Herzogs de Luynes, ist am Hof ein Vakuum entstanden.
Ludwig braucht unbedingt einen Berater, der ihm die Entscheidungen abnimmt und ihn auf gute Ideen bringt. Bei dem Gerangel um Macht und Einfluss scheint dieser Richelieu das Rennen gemacht zu haben. Mein jetziger unbedarfter Ehemann
ist zwar der neue Favorit, aber der König ist wenigstens so schlau, dass er ihn nicht zum politischen Berater ernannt hat.
Ich habe die groteske Behauptung gehört, dass Ludwig XIII. mittlerweile kein Wort mehr spricht, das ihm der Kardinal nicht vorgegeben hat. Selbst die Gespräche mit seiner Gemahlin Anna sollen aus diktierten Stichworten des frischgebackenen Kardinals Richelieu bestehen.«
»Kein Wunder«, lachte Céleste, »sonst käme Seine Majestät womöglich durcheinander und würde vor
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