Im Dunkel der Nacht (German Edition)
ich blutete, doch er zwang mich, alles auf Händen und Knien aufzuwischen.«
»Ich hätte es sehen und verhindern müssen, Gary – doch ich tat nichts. Max hatte versucht, es zu unterbinden, nicht wahr? Und darum geht es hier doch eigentlich. Max starb, weil er dich beschützen wollte.«
»Nein. Nein. So war es nicht. Es ging nicht nur um mich. Er tat es für uns alle.«
»Nicht an diesem Abend. An diesem Abend tat er es nur für dich, Gary. Arnott wollte nur dich holen. Er hatte es auf dich abgesehen. Der Einzige, der sich in dieser Nacht zwischen dich und Arnott stellte, war Max – und das ziemlich erfolgreich. Er hatte Arnott bereits ein ansehnliches Veilchen verpasst, bis wir einschritten. Erinnerst du dich daran, Gary? Erinnerst du dich daran, wie wir ihn allesamt niedergerungen haben?«
Gary nickte. »Ihr wart zu viert. Vier Männer gegen ein Kind. Ihr habt ihn an den Haaren aus dem Schlafsaal geschleift.«
»Und wo warst du, Gary? Wo warst du, als das passierte?«
»Ich war dabei. Ich habe zugesehen bei dem, was Sie getan haben.«
»Und ich habe gesehen, was du nicht getan hast, Gary. Ich habe gesehen, wie du dich in der Ecke verkrochen hast, versucht hast, dich hinter einem Bett zu verstecken. Max wurde gotterbärmlich verprügelt, weil er verhindern wollte, dass du ein weiteres Mal vergewaltigt wirst, und was hast du getan? Du hast dich versteckt. Du hast keinen Finger für ihn krumm gemacht.«
»Was hätte ich tun sollen? Ich war nur ein Kind, noch dazu eines der Kleinsten. Nichts, was ich hätte tun können, hätte euch aufgehalten.«
»Max war auch nur ein Kind. Max wusste, dass er uns nicht aufhalten konnte. Dennoch hat er es versucht. Und das nicht mal seinetwegen, sondern deinetwegen. Hast du an diesem Abend etwas unternommen, um Max zu retten?«
Gary war ins Wanken geraten. Die Waffe wackelte in seiner Hand, er schwankte zwischen Veronica und Lyle hin und her. »Ich konnte es nicht. Hätte ich es versucht, hättet ihr mich verprügelt.«
»Also hat eigentlich Max deine Schläge bezogen, nicht wahr? Die Tritte, die Schläge, sie waren gar nicht für Max bestimmt, oder? Sie waren für dich bestimmt. Aber du hattest ja zu viel Angst. Du hast dich lieber in die Ecke verkrochen und beobachtet, wie Max für dich stirbt. Er ist für dich gestorben. Was glaubst du, wie er sich dabei gefühlt haben muss, Gary?«
»Ich habe ihn nicht darum gebeten.«
»Aber du hast ihn auch nicht daran gehindert, oder?«
»Nein. Als er sich Arnott in den Weg stellte, war ich so erleichtert. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich war kurz davor, den Verstand zu verlieren.«
»Und doch hast du nichts unternommen. Du hast dich versteckt und zugesehen, wie die einzige Person, die dir helfen wollte, im Dreck verblutete. Stimmt es nicht, Gary? War es nicht so?«
Gary fing an zu weinen. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war nicht so mutig wie Max. Oder so stark. Also habe ich mich versteckt. Er bezog die Prügel, und ich versteckte mich.«
Burtons Stimme war weich und geschmeidig, fast schon verführerisch in ihrer Ruhe. »Wer trägt also wirklich die Schuld an Max’ Tod, Gary? Das kleine Mädchen, das gar nicht wusste, was es gefunden hatte, oder der Feigling, der Max an seiner Stelle sterben ließ?«
»Oh, nein. Nein, sagen Sie das nicht. Nein.« Gary stöhnte.
»Ich lege nur die Fakten dar. Wessen Blut würde Max hier wirklich vergossen sehen wollen? Das Blut seiner kleinen Schwester? Des kleinen Mädchens, dessen Bild er unter seinem Bett aufbewahrte? Oder das Blut des Feiglings, der ihn an seiner Stelle sterben ließ?
Was würde den Kreis wirklich schließen, Gary? Ihr Blut oder deines? Was würden die Knochen wohl dazu sagen, Gary?«
Gary wich vom Grab zurück, seine Hände zitterten, und Tränen liefen über sein Gesicht. »Nein. Das würde er nicht von mir verlangen.«
»Bist du dir da so sicher, Gary?« Burton ging nun auf Gary zu. »Bist du dir da wirklich ganz sicher? Du hast ihn sterben sehen. Du hast gesehen, wie er hier beerdigt wurde, eingewickelt in eine Mülltüte. Vielleicht hat er dich deshalb hierhergeführt, damit du ihn am Ort seines Todes entschädigen kannst.«
»Glauben Sie, das ist es, was er will?«, flüsterte Gary.
»Ich weiß es nicht, Gary. Er spricht nicht mit mir. Seine Knochen haben mir nichts verraten, was ich nicht schon gewusst hätte. Was sagen sie zu dir?«
Gary blieb stehen und schwieg, so als ob er wirklich jemandem zuhören würde. Als ob eine Stimme ihm
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