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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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zu sitzen und durchzuatmen.
    Â»Hören Sie«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich bin mir absolut sicher, dass es kein Selbstmord und kein Unfall war. Rosie ist nicht freiwillig gesprungen.«
    Asmus musterte sie scharf. »Wie kommen Sie darauf?«
    Â»Sie hat in letzter Zeit immer wieder eine Redewendung benutzt, die sie schon als Kind gebrauchte, wenn sie schreckliche Angst hatte, aber keinen Ärger machen wollte. Genau dieselben Worte! Das ist doch kein Zufall.«
    Asmus notierte sich auch das. »Wann haben Sie zuletzt mit Ihrer Schwester telefoniert? Wann hat sie diese Worte gebraucht?«
    Doch je detaillierter sie ihm von dem Schreckensanruf an Silvester berichtete, umso skeptischer wurde sein Blick.
    Irgendwann wurde ihr klar, dass er nichts damit anzufangen vermochte, und sie konnte es ihm nicht verübeln. Sie wusste ja selbst nicht, was sie denken sollte.

Dreiundzwanzig
    Â»Ich will die Tote sehen. Es ist nicht Rosie, ganz bestimmt nicht. Ich glaube es nicht, bis ich sie gesehen habe.«
    Asmus machte ein bedenkliches Gesicht, doch er blickte zur Uhr, blätterte in seinem Kalender, führte ein kurzes, leises Telefonat.
    Â»Morgen um 14 Uhr im Bestattungsinstitut Hinrich. Warten Sie bitte auf mich. Ich möchte dabei sein. Obwohl ich finde, dass Sie sich das nicht antun sollten. Wir sind uns sicher, dass sie es ist, und bis spätestens morgen früh haben wir auch den Abgleich vom Zahnschema. Manchmal ist es für Angehörige besser, einen Toten so in Erinnerung zu behalten, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen haben.«
    Ebba dachte an den eher genervten Abschied am Bahnhof vor zwei Jahren, und der Hals wurde ihr eng. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie so ungeduldig mit ihrer Schwester gewesen war. Vielleicht hatte sie dadurch die kleinen Anzeichen übersehen, die Lebensmüde manchmal aussenden? Aber nein, es hatte nichts dergleichen gegeben, schon gar nicht bereits vor zwei Jahren. Rosie hätte sich gar nicht verstellen können. Sie war ausgleichend, übertrieben rücksichtsvoll und nett wie immer gewesen. Erst nach der Abreise hatte sie sich verändert, rapide verändert. Das hatte bestimmt mit ihrer Reisebekanntschaft zu tun gehabt. Zumindest gab es einen direkten zeitlichen Zusammenhang. Warum nur hatte sie nicht nachgefasst, als Rosie das erste Mal von diesem Mann berichtete? Oder war alles ganz harmlos gewesen? Vielleicht hatte sie etwas in Rosies Privatleben hineingedichtet, das es wirklich nicht gab. Es war schlecht vorstellbar, dass ausgerechnet die naive Rosie aller Welt zwei Jahre lang verheimlichen konnte, mit einem Mann liiert zu sein.
    Ach, wahrscheinlich war sie auf einer völlig falschen Spur. Es konnte doch möglich sein, dass Rosie unter Depressionen litt. Oder dass Mutters Tod für sie der Auslöser gewesen war, den Bezug zur Realität zu verlieren. Aber war man unter solchen Umständen in der Lage, eine Buchhandlung erfolgreich zu führen? Erfolgreich – wer sagte das? Sie wusste es nicht, noch nicht. Genauso gut konnte es sein, dass es Rosie finanziell so schlecht ging, dass sie deshalb keinen Ausweg mehr gesehen hatte. Aber hätte sie dann nicht als Erstes diese ominöse Wohnung verkauft?
    So kam sie nicht weiter. Sie musste unbedingt mehr über ihre Schwester erfahren. Im Grunde wusste sie doch gar nichts über Rosie. Nur eines, und da war sie sich hundertprozentig sicher: Niemals im Leben war Rosie freiwillig vom Balkon eines Hochhauses gesprungen. Deshalb musste sie die Tote sehen. Erst wenn sie Gewissheit hatte, konnte sie den nächsten Schritt tun und anfangen, nach Gründen zu suchen.
    Ebba merkte, wie sie die Zähne zusammengebissen und die Fäuste geballt hatte. In dem stickigen Büro war es unnatürlich still geworden. Asmus blickte unbehaglich an ihr vorbei und dann verstohlen auf die Uhr und war sichtlich erleichtert, als kurze Zeit später eine junge Frau ins Büro gebracht wurde, deren weißblonde Haare zu dicken Zöpfen geflochten waren und deren rote Wangen aus einem bunten, mehrfach um den Hals geschlungenen Schal hervorlugten. Sie trug unter ihrem offenen Dufflecoat einen fröhlich bunten Strickpullover und konnte trotz der schrecklichen Nachricht nicht lange ernst und traurig in die Welt blicken. Schon beim ersten Anblick flog sie in Ebbas Herz, und das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen, denn mit den Worten: »Ich bin Inken, und Sie müssen Ebba sein«,

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