Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Mann.«
»Wieso?«
»Er hat gesagt, daß ein Mann gefahren sei.«
Sie rieb sich mit einem Finger über den Mundwinkel, hatte die Augen zusammengekniffen.
»Der Ermittler, dieser Mitchell, war offenbar auch irritiert«, sagte ich. »Seine letzte Eintragung lautet: ›Irgend etwas ist faul an der Sache.‹«
»Mitchell war ein guter Polizist. Soweit ich mich entsinnen kann, muß er etwa dreiundachtzig zum FBI gegangen sein«, sagte sie.
»Rat mal, wer den Fall von ihm übernommen hat?« sagte ich.
Sie musterte mein Gesicht. »Soll das ein Witz sein?« erwiderte sie.
»Wieder mal unser guter Rufus. Kannst du mir erklären, warum ein Cop, der gegen eine Frau wegen eines tödlichen Unfalls mit Fahrerflucht ermittelt, ausgerechnet deren Freund und Vertrauter bei der zuständigen Dienststelle wird?«
»Dave, das stinkt wirklich zum Himmel.«
»Das ist noch nicht alles. Später hat der Großvater gesagt, er hätte seine Brille nicht aufgehabt und wäre sich nicht mehr sicher, was die Ziffern auf dem Nummernschild angeht. Ende der Ermittlung.«
»Willst du den Mistkerl hierherholen?«
»Welchen?« fragte ich.
»Rufus. Wen denn sonst?«
»Moleen Bertrand.«
Er war nicht in seiner Kanzlei. Ich fuhr zu seinem Haus am Bayou Teche. Ein Trupp schwarzer Gartenarbeiter mähte die riesige Rasenfläche davor, rechte das Laub unter den Eichen zusammen und stutzte die Bananenstauden, bis buchstäblich nur noch die Strünke standen. Ich parkte bei der Garage neben dem Haus und klopfte. Anscheinend war niemand da. Das Speedboot, das unter einer Persenning im Bootshaus vertäut lag, schaukelte leicht im glitzernden goldenen Licht, das sich auf dem Wasser spiegelte.
»Wenn Sie Mister Moleen suchen, der’s draußen in Cade«, sagte einer der schwarzen Arbeiter.
»Wo ist Miss Julia?« fragte ich.
»Hab ich nicht gesehn.«
»Sieht so aus, als ob ihr schwer beschäftigt seid.«
»Mister Moleen sagt, wir solln’s richtig machen. Er is ’ne Zeitlang nicht da.«
Ich fuhr auf dem alten Highway hinaus zum Spanish Lake, vorbei an den restaurierten Antebellum-Häusern am Ufer und den mächtigen, moosbehangenen Eichen, die sich leicht im Wind wiegten, der über das Wasser strich. Dann bog ich auf den holprigen Fahrweg ein und fuhr unter dem verrosteten eisernen Torbogen hindurch auf die Bertrandsche Plantage. Moleens Geschäftspartner, wer immer sie auch sein mochten, waren fleißig zugange gewesen.
Bulldozer hatten Schneisen durch das Zuckerrohr gepflügt, alte Maishütten und Stallungen eingeebnet, wilde Dattelpflaumenbäume umgerissen, deren Wurzelgeflecht wie rosa Krampfadern aus dem plattgewalzten Erdreich ragte. Ich sah Moleen hoch zu Roß bei dem Wäldchen, wo er einem Landvermessertrupp zusah, der Holzpfähle und beflaggte Lattenpfosten in die Erde trieb, offenbar eine Straße zu den Bahngleisen absteckte.
Ich fuhr quer über das Feld, durch das flachgedrückte Zuckerrohr, und stieg aus meinem Pickup. Die Sonne stand weiß am Himmel, die Luft hing voller Staub. Moleen trug Reithosen und Stiefel mit Kavalleriesporen, ein blaues Polohemd, hatte ein nasses Halstuch umgebunden und einen Strohhut mit schmaler Krempe und buntem Band auf dem Kopf. Seine rechte Hand war um die Reitgerte geschlungen, und sein Gesicht wirkte in der vom Boden aufsteigenden Hitze wie verquollen.
»Ziemlich heiß für so was«, sagte ich.
»Ist mir gar nicht aufgefallen«, sagte er.
Ein Bulldozerfahrer legte den Rückwärtsgang ein, machte unter den Bäumen eine Kehrtwende und riß einen Zürgelbaum aus dem Boden, als ob es ein Selleriestrunk wäre.
»Ich schau nicht gern zu jemandem auf, der auf einem Pferd sitzt«, sagte ich.
»Wie wär’s, wenn Sie einfach sagen, worum es geht?«
»Nach all den Jahren bin ich Ihnen endlich auf die Schliche gekommen.«
»Bei Ihnen muß es sich immer um etwas Unerfreuliches handeln. Woher kommt das, Sir?« sagte er und stieg ab. Er führte sein Pferd in den Schatten der Bäume und wandte sich mir zu. Ein Schweißfaden rann an seiner Schläfe herab. Hinter ihm, im Schatten, stand die von abgestorbenen Purpurwinden überwucherte Maishütte, in der vor Jahren die Liebesbeziehung zwischen ihm und Ruthie Jean begonnen hatte.
»Ich glaube, Julia hat Ihre Schuld auf sich genommen, Moleen.« Er schaute mich verständnislos an. »Als das Kind totgefahren wurde, an Halloween 1983. Sie waren der Fahrer, nicht sie.«
»Ich glaube, Sie haben den Verstand verloren, mein Freund.«
»Es war ein schlauer Zug«, sagte
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