Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
du etwas über ihn?«
»Über ihn?«
»Ich gehe davon aus, daß du, wenn du dich in all das einmischst, doch von irgendwas Wind bekommen haben mußt. Wenn es um den Brand geht, ist die Sache wohl bald verjährt, und wenn du Beweise hast, solltest du sie zeitig genug vor dem 1. September der Staatsanwaltschaft vorlegen, damit sie mit einem gebührenden Empfangskomitee auf Flesland stehen können. Und genau dann wäre ich auch gerne da, Veum, mit Fotograf und allem Drum und Dran. Wenn du mir die Story versprechen kannst, bin ich auf ewig dein, wann auch immer und wie auch immer.«
»Du sprichst immer noch vom Geschäft, stimmt’s?«
Ein Anflug von Nachdenklichkeit huschte über sein Gesicht. Dann lächelte er unbeholfen und sagte: »Ja.«
»Also gut. Ich bin wohl hauptsächlich darauf aus … Ich will ganz ehrlich sein. Ich habe absolut nichts über Hagbart Helle. Gar nichts. Ich bin mehr auf seinen – Charakter aus. Ist er nur ein Steuer-Emigrant, ein smarter Geschäftsmann, Idealist – oder was?«
Ein höhnischer Zug legte sich um seinen Mund. »Du und ich, Veum, wir sind Idealisten. Guck dir unsere verschlissenen Jacken an, die abgelaufenen Schuhe, unsere blanken Hosenknie. Geschäftsleute auf internationalem Topniveau sind keine Idealisten. Mäzene vielleicht – wenn es sich lohnt. Und goodwill lohnt sich. Aber nie aus Idealismus. Interessiert an Wissenschaft und Kultur – als Investitionsobjekte, aber nie aus Schönheitssinn oder Wissensdurst. Leute wie Hagbart Helle sind skrupellose, brutale Gauner – sonst wären sie nie dahingekommen, wo sie sind. Du kommst heute nicht an die Spitze der internationalen Finanzwelt, ohne über Leichen zu gehen, im wahrsten Sinne des Wortes.«
Ich sagte nachdenklich: »Fünfzehn Leichen, im Fjøsangervei.«
»Zum Beispiel. Aber wenn es das ist, worauf du hinauswillst, dann muß es bewiesen werden.«
»Ich weiß das. – Du hast also nicht mehr?«
»Leider, Veum. Ich hätte es dir gerne gesagt. Aber der Mann ist eine Sphinx, eine Greta Garbo der Finanzwelt – du siehst das Bild da. Dieser Mann eröffnet keine Museen, die er finanziert hat, tauft keine Supertanker, hält keine Reden auf Kongressen. Dieser Mann sitzt hinter seinem Schreibtisch und zählt Geld, Geld, Geld.«
Ich seufzte. »Tja, eine ganz andere Sache. Überhaupt nicht deine Abteilung, aber … könntest du nicht mal im Fotoarchiv untersuchen, ob ihr ein Bild von einem Mann habt, der Harald Wulff hieß?«
Er ließ den Namen auf der Zunge zergehen.
»Harald Wulff?«
»Er war Kollaborateur und arbeitete als Bürobote in Hagbart Helles Fabrik, damals, als sie abbrannte.«
Er sah mich forschend an. »’Ne heiße Spur, Veum?«
Ich fügte hinzu: »Und er starb 1971.«
Er betrachtete mich resigniert. »Gut, gut. Ich werde mal sehen.« Er erhob sich. »Einen Moment nur.«
»Wulff mit zwei f«, sagte ich.
Ich blieb allein und sah aus dem Fenster. Niemand zu sehen in irgendeinem Fenster. Vielleicht war Mittagspause, oder sie waren nach Hause gegangen.
Ove Haugland kam mit zwei Fotos zurück. Das eine war das gleiche, das Hjalmar Nymark mir gezeigt hatte, nur in größerem Format. Das andere war ein Portrait von Wulff allein, im Zeugenstand, während des Gerichtsverfahrens. Der Winkel war ungefähr der gleiche, aber die Gesichtszüge waren deutlicher: Das lange, pferdeartige Gesicht, die kräftige Nase, die großen Ohren und die dunkle Haarsträhne, die fast wie eine Mähne in die Stirn fiel. Er hätte Pferd heißen sollen, nicht Wulff.
»Kann ich sie ausleihen?«
»Selbstverständlich. Hier hat keiner Verwendung dafür. Aber bring sie zurück, wenn du mit der Story kommst, ja, Veum?«
Ich versprach es, bedankte mich und ging.
20
Ich nahm den Fahrstuhl hinauf in mein Büro. Als ich ausstieg, stieß ich auf die neue Zahnarzthelferin. Sie hatte dunkles Haar, das stramm am Kopf anlag und im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden war. Zwei Dinge fielen ihr leicht: zu lächeln und zu erröten. Sonst gab es keinen Grund, warum sie beides tat, jedesmal, wenn sie mich sah.
Ich hielt ihr die Fahrstuhltür auf und sagte: »Du mußt mal bei mir im Büro vorbeikommen. Dir die Aussicht ansehen.«
Sie sah in die Richtung meiner Bürotür. »Da, meinst du?« »Ja.«
»Die kann doch kaum großartig anders sein, als bei uns drinnen.«
»Es ist immer eine andere Perspektive aus einem anderen Büro«, sagte ich in einem feierlichen Tonfall.
Sie lächelte, errötete und ging an mir vorbei in den Fahrstuhl. Der Pfeil, der anzeigte, in
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