Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
welchem Stockwerk der Fahrstuhl sich befand, ging im Kreis herum. Ich folgte ihm mit dem Blick. Wer weiß, vielleicht würde er plötzlich stoppen und wieder anfangen, sich nach oben zu bewegen. Aber solche Dinge geschehen nie.
Ich durchquerte das Wartezimmer, als sei ich ein Gespenst meiner selbst. Niemand schreckte aus den Stühlen auf, keine Blondinen, die mir mit tränennassen Knipplingstaschentüchern entgegenkamen. Die Stille brütete über dem Raum, wie eine Henne über einem Steinei.
Ich schloß das Büro auf, wischte den Staub vom Telefonbuch und schlug den Namen Karlsen auf. Er füllte gut und gern eine Seite. Zu meiner Überraschung fand ich auch eine, die Sigrid hieß – und sogar nur eine. Sie wohnte im Ytre Markvei. Das war nicht ganz meine Gegend von Nordnes, aber ich kannte mich dort gut aus.
Es gab keinen Grund, zu zögern. Ich wählte die Nummer und lauschte der Lieblingsmelodie des Telegrafenamts. Aber niemand nahm ab.
Da ich nun das Telefonbuch noch vor mir hatte, schlug ich es erneut auf. Konrad Fanebust war leicht zu finden. Er hatte sowohl eine Geschäftsadresse, als auch Privattelefon. Seine Firma lag in der Olav Kyrresgate; er selbst wohnte im Starefossvei.
Dann war Elise Blom dran. Es gab weniger Bloms als Karisens, aber keine Elise. Das hätte übrigens auch gerade noch gefehlt. Wenn es so einfach wäre, wäre ich bald arbeitslos. Die Leute könnten sich anstelle eines Privatdetektivs ein Telefonbuch mieten und es war durchaus nicht gesagt, daß sie damit schlechter bedient wären.
Meine gewöhnlich so säuerliche Freundin beim Einwohnermeldeamt konnte mir allerdings helfen. Sie mußte wohl ausgeruht sein nach den Ferien, denn sie bat mich nicht einmal um Bedenkzeit. Im Laufe einer Minute gab sie mir die Anschrift, unter der Elise Blom seit 1955 gemeldet war. Sie besaß ein Haus im Wesenbergssmau.
»Das gehört ihr also?«
»So steht es da. Sie kaufte es im April 1955.«
»Aber Telefon hat sie nicht?«
»Es sieht nicht so aus.«
»Hmm.«
»Bist du zufrieden?«
»Du bist unersetzlich«, sagte ich und meinte es auch. Ich mußte meine Theorie eine Spur revidieren. Es war doch nicht mit einem Telefonbuch getan. Man brauchte auch eine gute Freundin beim Einwohnermeldeamt.
Ich sagte: »Ich wünsche dir ein langes und glückliches Leben beim Meldeamt. Bestell schöne Grüße.«
»Wem? Etwa …?«
»Dem Meldeamt.«
»Oh. Ich dachte …«
»Wie geht’s ihr denn? Deiner Schwester.«
Ich hörte deutlich, wie sie aufstrahlte. »Ihr geht es richtig gut, Varg. Sie hat gerade ein Kleines gekriegt.«
»Möge auch dem Kleinen ein langes und glückliches Leben beim Meldeamt beschieden sein. Falls dir einfallen sollte, aufzuhören. Aber tu das nicht. Und mach’s gut.«
»Mach’s gut.«
Doch, sie mußte schöne Ferien gehabt haben. Oder aber es gefiel ihr, Tante zu sein.
Ich versuchte es noch einmal mit der Telefonnummer von Sigrid Karlsen. Jetzt war jemand zuhause. Eine altersmäßig unbestimmbare Frauenstimme antwortete: »Ja, hallo?«
Ich räusperte mich und sagte: »Guten Tag. Äh, mein Name ist Veum und ich rufe an, weil … Es hört sich vielleicht ein wenig dumm an, aber, waren Sie einmal verheiratet mit … war ihr Mann ein Holger Karlsen?«
Ich sagte seinen Namen deutlich, damit es keinen Raum für Mißverständnisse gab.
Die Antwort kam zögernd. »Ja-a. Worum geht es?«
»Hören Sie. Ich rufe an anläßlich – es ist ja schon lange her – dieser Brand bei Pfau. Es gibt da einiges in dem Zusammenhang, worüber ich gerne mit Ihnen sprechen würde.«
Der Tonfall war nach wie vor unsicher. »Ich versteh nicht ganz. Wie sagten Sie war Ihr Name?«
»Veum. Ich bin – also ich stelle Ermittlungen an, und da sind verschiedene Dinge aufgetaucht. Ich verstehe, daß diese Sache Ihnen sicher wehtut, aber ich glaube, wir könnten – wie soll ich sagen – gemeinsame Interessen haben.«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Nein. Ich betreibe eine private Firma.«
Das hörte sich hoffentlich einigermaßen respektabel an. Ich warf einen beschämten Blick durch meine private Firma. Ich würde sie wohl kaum zu einer Besichtigung einladen. »Aber ich weiß nicht, ob Sie sich an einen Polizisten namens Hjalmar Nymark erinnern?«
»Dooch!«
»Er ist tot. Und kurz bevor er starb, erzählte er mir so einiges.« Ihre Stimme verhärtete sich. »Was die Polizei die ganze Zeit gewußt hat?«
Ich antwortete schnell: »Nein, nein. Eher ein paar Theorien, die er hatte, aufgrund gewisser Vermutungen.«
»Aber was meinen Sie
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