Im fernen Tal der Hoffnung
bisschen herum. Die alten Leute rufen mich.« Luke verstand ihn. Mungo hatte genau wie er das Bedürfnis, frei zu sein. Beide verlieÃen sie ihre Väter und versuchten, ein eigenes Leben frei von den Zwängen Wangallons zu führen. Das war die wirkliche Basis ihrer Freundschaft. Sie verstanden, was der andere ungeachtet der Wünsche ihrer Väter wirklich brauchte.
» Was ist mit deinen Leuten?« Auf einmal wurde die Stimmung angespannt.
Mungo spuckte auf den Boden. » Sie will, dass wir weggehen und unser eigenes Leben ohne den Stamm leben. Ich fürchte aber, das macht uns zu AusgestoÃenen. Mir wäre es ja gleichgültig, aber sie ist eine Frau. Hier ist es sicherer. Aber wenn ich sie haben will, muss ich weggehen.«
» Du liebst sie also?«
Mungo fuhr mit der Stiefelspitze über den Sand. » Vielleicht.« Er grinste. » Ich will sie.«
» Hast du es ihr schon gesagt?«
Mungo nickte. » Morgen, wenn der Mond voll ist, geht sie zu dem alten Mann. Vorher sage ich es ihr. Vielleicht gehen wir dann weg. Vielleicht schlieÃe ich mich ja dir an, und sie kommt mit auf den Viehtrieb?« Seine Stimme bebte.
» Vielleicht«, stimmte Luke zu. Sie wussten beide, dass Luke etwas gegen Frauen auf dem Viehtrieb hatte. » Du bist ein guter Freund.«
» Du auch.« Mungo ergriff seine Hand. » Wie ein Bruder.«
Am Lagerfeuer machte Luke Brot. Er mischte Mehl und Wasser, gab eine Prise Salz hinzu und knetete die Mischung auf einer Blechplatte. Dann formte er den Teig zu einem Brotlaib und legte ihn in einen Eisenkessel mit Deckel, den er ins Feuer stellte. Er füllte seine Feldflasche aus dem Wassersack, den er an einen Ast gehängt hatte, und setzte sich ans Feuer, um zu rauchen. Er war es gewöhnt, den Hunger zu kontrollieren, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass ein leerer Bauch oft eine unruhige Nacht verursachte. Deshalb würde er jetzt ein bisschen Brot essen, seinen Tee trinken und hoffen, dass er schlafen konnte.
Fledermäuse flogen über das stille Wasser und lieÃen sich in einem Baum in der Nähe nieder. Ihr Piepsen sorgte dafür, dass er die Einsamkeit seines Lagers noch stärker empfand. Luke dachte an Joseph, der zufrieden in einer Senke stand. Er warf eine Handvoll Teeblätter in den Kessel mit kochendem Wasser, lieà sie einen Moment lang ziehen und goss dann den Tee in seinen Becher. Das Brot nahm ein bisschen mehr Zeit und Mühe in Anspruch; er lieà den Topf in den Dreck fallen, weil er so heià war, und musste sein Abendessen erst einmal säubern. SchlieÃlich saà er da und kaute, wobei er jeden Bissen mit heiÃem Tee anfeuchtete. Es wäre gut gewesen, einen Bruder in seinem Alter zu haben, dachte Luke; oder vielleicht eine Schwester. Jemand, den er besuchen konnte, jemand, der drauÃen in der Welt lebte und atmete und von seinem Blut war. Es war nicht viel, was er sich wünschte, aber es hätte die Leere gefüllt.
SchlieÃlich erleichterte Luke sich ein paar Meter von seinem Lagerplatz entfernt, legte noch ein Holzscheit für die Nacht aufs Feuer und wusch sich im Bach das Gesicht, bevor er sich auf den Sand zum Schlafen hinlegte, die Hände unter den Kopf geschoben, den Sternenhimmel als Decke über sich. Er würde so lange hierbleiben, bis er bereit war, die Rinder zu treiben. Luke wusste, dass es sinnlos war, seinen Vater auf die Erbschaft anzusprechen. Was sollte er zu einem Mann sagen, der von seinem Land besessen war, es um jeden Preis schützen wollte und es nie verstehen würde, dass jemand etwas Eigenes wollte, vor allem nicht sein eigener Sohn? Er würde von dem nächsten Viehtrieb nach Süden nicht mehr zurückkommen. Und warum auch? Er fühlte sich völlig entfremdet von seinem Vater, und er hatte eine Grenze überschritten, die er nicht hätte überschreiten dürfen. Er hatte einen einzigen intimen Augenblick geteilt mit der Frau, die er liebte, mit der Frau seines Vaters, seiner Stiefmutter, und damit die Grenze des Erlaubten innerhalb einer Familie überschritten. Aber das alles bedeutete nur wenig, wenn er daran dachte, dass all seine Träume zerbrochen waren.
» Luke?«
Jemand sagte seinen Namen. Es war eine leise, weiche Stimme. Eine Stimme, die er kaum erkannte. Eine Gestalt trat näher, und Lukes Finger schlossen sich um den Lauf seines Karabiners. Es dauerte einen Augenblick, bis er Margaret erkannte. Er wollte sie
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