Im fernen Tal der Hoffnung
Plastiktüten in den Händen und Frank Michaels Päckchen unter dem Arm ging sie den hinteren Weg zum Haus entlang. Drinnen stellte sie alles erst einmal auf den Küchentisch. In der Küche war es eiskalt, das Spülbecken war leer bis auf einen Teller und zwei Bierflaschen. Sarah hielt die Hand über den Ofen, aber er war kalt, was ungewöhnlich war, weil er sonst im Winter ständig brannte.
DrauÃen lud sie Brennholz und Holzscheite von dem Stapel am hinteren Gatter in die Schubkarre. Ein paar Meter entfernt saà Bullet geduldig auf dem Weg. » Hey«, rief Sarah ihm zu und erwartete, dass er in seinen üblichen Freudentanz zur BegrüÃung verfallen würde. Aber er blickte nur kurz über die Schulter, bellte und rannte weiter weg. » Bullet, komm her.« Der Hund gehorchte widerstrebend. Er lieà sich von ihr streicheln, rannte aber dann erneut weg und drehte sich nach ihr um. » Hey, was ist los? Es tut mir leid, dass ich weg war.«
Bullet winselte. Ein paar Meter weiter lag Frettchen in der Sonne wie ein Rentner in Florida. Er lag auf dem Rücken, vier Pfoten in die Luft gestreckt. Als er Sarahs Stimme hörte, öffnete er ein Auge, dann erhob er sich steifbeinig. Bullet warf seinem Kumpel einen Blick zu und starrte dann wieder nach vorn.
» Jetzt kapiere ich es. Anthony hat dich nicht mitgenommen, was?« Sie kraulte ihn zwischen den Ohren. » WeiÃt du was? Nachher reiten wir beide aus, nur du und ich.« Bullet bellte, ging zur Seite und legte sich winselnd hin. » Später«, versprach Sarah.
Als der Ofen brannte und die Lebensmittel ausgepackt waren, machte Sarah sich rasch einen Kaffee. Dass sie schon wieder einen Abend alleine verbringen musste, dämpfte ihren Ãrger, zumal auch Shelleys Vortrag darüber, wie wichtig ihre Beziehung zu Anthony war, mittlerweile zu ihr durchgedrungen war. Shelley hatte ja recht; Anthony und sie konnten sich noch so viel streiten und über den anderen stöhnen, aber sie hatten sich lange Zeit gegenseitig unterstützt. Sie sollte zumindest ihre Beziehung respektieren, indem sie nicht die ganze Zeit wütend auf ihn war. » Es muss doch einen Weg geben, um aus dieser Misere wieder herauszufinden.« Sarah trank ihren Kaffee aus und warf noch ein Holzscheit in den Ofen. Heute Abend gab es Steak, mit Pilzen aus der Dose und tiefgekühlten Pommes frites: Anthonys Lieblingsessen. » Ein Schritt nach dem anderen«, beschloss sie und wickelte die Bibel, die Frank ihr am Tag zuvor gegeben hatte, aus dem Packpapier. Das Abendessen war schon mal ein Anfang, und vielleicht konnten sie dabei ihre Meinungsverschiedenheit beilegen. Sie brauchte ihn, und es konnte doch nicht sein, dass Anthony immer noch wütend auf sie war. SchlieÃlich hatten beide Seiten Schuld.
Der schwarze Ledereinband der Bibel hatte Risse vom Alter; die Seiten hatten einen Goldrand. Sarah blätterte sie durch und las dann die Innenzeile.
Wangallon Station â 1862.
Ein gefaltetes Blatt Papier glitt zu Boden.
» Sarah, bist du da?«
Sie legte die lose Seite wieder zurück in die Bibel, klappte das Buch zu und legte es auf die Küchenbank.
Matt wurde von Frettchen begleitet, der mittlerweile auf drei Beinen ziemlich schnell laufen konnte. Sarah überlegte kurz, wie viel der Vorarbeiter von den Ereignissen in Sydney wissen musste, aber dann beschloss sie, ihm alles zu erzählen. Zwischendurch schlüpfte sie in ihre Reitstiefel. » Wir gehen jetzt vor Gericht«, sagte sie schlieÃlich, nachdem sie ihn in verkürzter Form informiert hatte.
Matt verzog das Gesicht. » Das tut mir leid. Kann ich etwas für dich tun?«
Gemeinsam liefen sie zum hinteren Gatter. » Nein, nichts. Wir müssen einfach abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Ist sonst alles okay?«
» Ja, im GroÃen und Ganzen. An der Westfront ist es ruhig«, erwiderte er und nickte in Richtung Boxerâs Plains. » Toby hat das Vieh zur Marshallâs Lane gebracht. Im Moment sehen die Weiden gut aus.«
» Und Anthony?«, fragte Sarah.
» Ich habe ihn nicht gesehen. Ich wollte übrigens über etwas mit dir sprechen. Eine Freundin ist zu Besuch, und ich wollte fragen, ob du etwas dagegen hast, wenn sie bei mir einzieht⦠Permanent.« Matt kratzte sich am Kopf. » Das heiÃt, solange es gut geht. Möchtest du dir die Kühe anschauen?«
» Klar.« Sarah hob Frettchen auf die
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