Im fernen Tal der Hoffnung
zog den Korken aus einer Rumflasche und bot Luke einen Schluck an. Er beobachtete, wie Lukes Adamsapfel auf und nieder hüpfte, als er trank, und leckte sich über die Lippen. Er nahm die Flasche wieder entgegen und trank selbst einen Schluck. Mungo ergriff das Messer.
Luke wandte den Blick von der glühenden Klinge ab und biss die Zähne zusammen. Er dachte an das Geld, das ihm der Verkauf der Rinder einbringen würde; an die Vorräte, die er dafür erwerben wollte. War der Tod eines Mannes ein fairer Tausch gegen den Traum seines Vaters? Ohne die Frage zu beantworten, schweiften seine Gedanken weiter. Was für eine Aufregung herrschen würde, wenn ein Ballen feine Seide oder cremefarbene Spitze eintreffen würde. Sie war der Grund, der ihn immer wieder nach Wangallon zurückzog. Und deshalb hatte er Viehtreiber werden müssenâ um wieder weggehen zu können.
Mungo goss Rum in die offene Wunde und drückte dann die Klinge fest darauf, um die Wunde zu kauterisieren. » Du besuchst dein Mädchen in Wangallon Town«, schlug er vor.
Luke grollte; er hatte kein Mädchen. Der Gestank nach verbranntem Fleisch hing in der Luft. Lukes Gesicht war nur noch eine verzerrte Grimasse, als er ohnmächtig wurde. Der Koch grunzte angewidert und trank noch einen Schluck Rum. Mungo betastete die rote Haut um die Wunde. Dann grinste er den Koch an. Seine weiÃen Zähne blitzten.
Sommer 1908
Wangallon Station
Hamish stolzierte über die Veranda. Ab und zu blieb er stehen und zog gereizt an seiner Pfeife. Die Luft war feucht, es war kühl, und für die Jahreszeit herrschte ungewöhnlich dichter Nebel, der alles in einen grauen Schleier hüllte. Die Kiesauffahrt, die Bäume, selbst die blühenden Büsche, die das Haus umgaben, waren kaum zu sehen. Hamish zog eine goldene Taschenuhr aus der Weste und stellte ungeduldig fest, dass erst etwa zehn Minuten vergangen waren. Heftig paffte er an seiner Pfeife und lieà sich schwer auf einen der Korbstühle auf der Veranda sinken, um auf die Geräusche aus dem Haus zu lauschen. Das ferne Klirren von Töpfen und Tellern drang zu ihm. Die Hausmädchen kicherten unterdrückt, und dazwischen ertönte die tiefere Stimme von Mrs Stackland, ihrer Köchin und Haushälterin. Es klang wie das Summen von Bienen. Der Duft nach frisch gebackenem Brot war das Einzige, was ihm für die Sinne angenehm erschien.
» Hamish?«
Claire war von Kopf bis Fuà in weiÃen Musselin gekleidet, mit einer feinen Brokatstola um die Schultern. Eine fette Katze, die Hamish verabscheute, folgte ihr auf den Fersen. Er bedachte sie mit einem finsteren Blick. Die Abneigung war gegenseitig.
» Das Wetter ist höchst ungewöhnlich.« Claire setzte sich und erlaubte der Katze, es sich auf ihren Knien bequem zu machen.
Hamish runzelte die Stirn. Die Katze schnurrte laut.
» Aber die Abkühlung tut gut nach der Hitze und dem Wind letzte Woche.« Claires rhythmisches Streicheln lieà die Katze noch zufriedener schnurren. » Ich meine mich erinnern zu können, dass der Sommer letztes Jahr ähnlich schlecht angefangen hat.« Sie zupfte an einem Baumwollband an der Manschette ihrer Bluse. Sie war in diesem unermesslichen Land geboren, doch auch nach sechsundfünfzig Jahren hing ihr tägliches Leben immer noch von den Launen des Wetters ab. Von den Himmelsgöttern so im Ungewissen gelassen zu werden, hatte sie seit ihrer Ankunft auf Wangallon Demut gelehrt. » Es ist gleich halb sieben, Hamish. Der Nebel wird sich bald lichten, und Jasperson wird dich zu irgendwelchen fernen Ecken von Wangallon abholen kommen. Willst du nicht etwas essen?« Hamish blickte auf den Umriss eines heimischen Baums. Ihre Finger berührten leicht seine harte, sonnengebräunte Hand. Er wandte sich zu ihr um und sah sie an, als sei er gerade erst aus tiefem Schlaf erwacht. » Trink ein wenig Tee und iss etwas von dem Früchtebrot«, fuhr sie fort. » Lee ist es wieder einmal gelungen, sich in Mrs Stacklands Küche einzuschmuggeln.«
Hamish entzog ihr seine Hand. Claire strich sich den Rock glatt und verärgerte damit die Katze, die vorwurfsvoll maunzte. » Dieses Jahr sind in unserem groÃartigen Land wirklich viele Dinge zum ersten Mal passiert«, begann Claire, in der Hoffnung, ein Thema zu finden, über das sie sich unterhalten konnten. » Ich hätte so gerne die Flotte der Vereinigten Staaten von
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