Im fernen Tal der Hoffnung

hatte sie natürlich nicht vergessen, aber sie fand das Band ziemlich dünn. Er hatte schließlich seine Familie in Schottland, und es waren gute Leute. » Es überrascht mich, dass deine Eltern mit deiner Reise einverstanden waren.«
    Â» Missgönnst du mir das Recht auf mein Erbe?«
    Sie hätte am liebsten Ja gesagt. Er hatte kein Recht darauf, sich etwas zu nehmen, das er nicht selbst geschaffen hatte. Er hatte nie dazugehört, war nicht hier hineingeboren worden. Ihr Schweigen verriet ihre wahren Gefühle, und die Spannung zwischen ihnen wuchs. Sarah kurbelte das Fenster herunter und reckte den Kopf in den Fahrtwind. In einem Monat würde es Frühling sein. Sie drehte das Radio lauter und fuhr von hinten an den Besitz heran. Hier kamen sie an West Wangallon vorbei, und er würde zu den üblichen vier noch fünf weitere Tore aufmachen müssen. Ein bisschen Bewegung konnte ihm nicht schaden.
    Â» Hier bin ich aufgewachsen.« Sie zeigte auf das Farmgebäude von West Wangallon. Nachdem Mum und Dad sich an der Küste zur Ruhe gesetzt haben, stand das Haus erst eine Zeit lang leer. Jetzt wohnt Matt Schipp hier, unser Viehmanager.«
    Â» Aber Ronald ist auch hier, oder?«
    Â» Nein.« Wenn Jim auf eine Begegnung mit ihrem Vater gehofft hatte, hatte er sich geschnitten. Er verzog enttäuscht das Gesicht, und einen kurzen Moment lang hatte sie Mitleid mit diesem Jungen, der um die halbe Welt gereist war, weil er dachte, er würde seinen leiblichen Vater kennenlernen.
    Â» Aber du hast ihm doch gesagt, dass ich komme, oder?«
    Â» Nein.«
    Â» Warum nicht?«
    Â» Du hast in deinem Brief nichts davon erwähnt, dass du ihn unbedingt kennenlernen willst.«
    Â» Das ist ein bisschen unfair.«
    Â» Du kannst mich ja belangen.« Schlechte Wortwahl, dachte Sarah.
    Â» Ich will, dass er es erfährt.«
    Â» Du kannst keine Forderungen stellen, Jim. Meine Mutter ist krank, und Dad hat im Moment genug um die Ohren.«
    Als sie am Hauptgebäude ankamen, war es schon fast Mittagszeit. Sie fuhren an Matt und Jack vorbei, die acht Hereford-Bullen zu den Ställen brachten. Sarah fuhr nicht langsamer wie sonst, um mit ihnen zu plaudern, sondern winkte ihnen nur zu. Wortlos parkte sie den Landcruiser vor dem Hintereingang. An der Treppe schlüpfte sie aus ihren Reitstiefeln. Sofort kam Bullet angeschossen, um Sarah zu begrüßen. Leise knurrend wandte er sich Jim zu.
    Â» Netter Hund.« Jim streckte die Hand aus, um ihn zu streicheln, während er sich die Schuhe auszog.
    Â» Das würde ich nicht tun«, riet Sarah ihm. » Er ist sehr loyal.« Bullet legte den Kopf schief und wedelte mit dem Schwanz.
    Drinnen gingen sie durch die Küche und den Wohnbereich. Am Esszimmer blieb Jim stehen und betrachtete den Raum. Auf der Mahagoni-Anrichte glänzte das Silber, der Kerzenleuchter funkelte, und die Seitentische, Lampen und Ölgemälde gaben dem Raum eine Aura alter Eleganz. Sarah war ganz selbstverständlich damit aufgewachsen, aber Jim betrat eine völlig neue Welt. Dass sie ihn hier im Haus wohnen ließ, war ihr erster Fehler.
    Â» Wer ist das?« Er zeigte auf das große Ölgemälde über der Anrichte.
    Â» Hamish Gordon. Er hat Wangallon gegründet.« Sarah fröstelte. Auf einmal schien ein kühler Hauch durchs Zimmer zu wehen. Sie rieb sich die Unterarme. » Das andere Bild zeigt seine zweite Frau, Claire.«
    Â» Sie sieht gut aus.«
    Â» Es heißt, es sei ihr gelungen, Hamish zu zivilisieren, zumindest eine Zeit lang.«
    Â» Und was bedeutet das?«
    Sarah zuckte mit den Schultern. » Wenn du im Pub geblieben wärst, hättest du jede Menge Geschichten gehört.«
    Sie gingen weiter durchs Haus, vorbei am Lesezimmer und am Musikzimmer, dann bogen sie links ab. Sarah hatte beschlossen, Jim im ältesten Flügel des Hauses unterzubringen. An manchen Stellen bröckelte der Putz, und die Dielenböden hatten sich verzogen, sodass von einer ebenen Fläche keine Rede sein konnte.
    Â» Wohin geht es da?« Jim zeigte zum Ende des Flurs, wo ein verblichener blaugrüner Wandteppich mit einer Darstellung der schottischen Highlands hing.
    Â» Früher ging es dort durch einen überdachten Gang zum Kochhaus.« Sarah wies auf die Schlafzimmertür. » Tut mir leid, wenn es ein bisschen muffig riecht. Wir hätten mehr lüften sollen.« Die Entschuldigung kam automatisch