Im Feuer der Nacht
Letzteres nicht als selbstverständlich zu betrachten. Noch nicht einmal jetzt, wo sie nackt und befriedigt in seinem Bett lag.
Aber immerhin empfand er kein schlechtes Gewissen mehr, sie nackt und befriedigt neben sich in seinem Bett liegen zu sehen. Dass sie sich in diesem Zustand befand, mochte darauf zurückzuführen sein, dass sie selbst mit ihrer Beharrlichkeit dafür gesorgt hatte; und doch hatte er sich danach gesehnt und war nur zu bereit gewesen, sie bei sich zu beherbergen.
»Stokes und ich ... wir werden sicher damit anfangen, dass wir eine Liste all jener Gentlemen anfertigen, deren Verbindung zur Polizei uns bekannt ist. Die Kommissare und ihre Gehilfen, all die Leute, die durch andere Behörden mit der Polizei zu tun haben wie zum Beispiel das Innenministerium oder die Wasserpolizei.«
»Hm.« Nachdenklich runzelte Penelope die Stirn. »Wenn die Schlussfolgerungen richtig sind, die wir aus seinen Planungen gezogen haben, dann muss Alert jemand sein, der nicht nur den anderen Gentlemen der besseren Gesellschaft bekannt ist, zum Beispiel durch seinen Club, sondern der auch bei ihnen zu Hause verkehrt. Wer sonst könnte so genau wissen, welche Anwesen er ins Visier nehmen soll?« Sie blickte Barnaby in die Augen. »Das heißt, bei Alert muss es sich um jemanden handeln, der ein gewisses gesellschaftliches Ansehen genießt.«
Barnaby nickte. »Du hast recht. Sobald wir unsere Liste geschrieben haben, können wir sie verfeinern und all diejenigen streichen, die wahrscheinlich nicht infrage kommen.« Kurz darauf fügte er hinzu: »Es gibt nur sehr wenige Angestellte, die Zugang zu den sozialen Kreisen haben, in denen Alert sich bewegt. Warten wir es ab, wer sich in unserem Netz verfängt.«
19
Der nächste Tag war ein Sonntag. Vormittags hatten Barnaby und Stokes sich in dessen Büro getroffen und begonnen, die Liste der verdächtigen Personen aus den Salons zu schreiben. Penelopes Bemerkung hatte dazu geführt, dass sie viele Namen ohne nähere Betrachtung streichen konnten; andere wiederum, wie etwa die Kommissare und ihre Gehilfen, würde Barnaby genauer unter die Lupe nehmen müssen.
Aber der Sonntagnachmittag war keine gute Zeit, um auf der Suche nach Mr. Alert einen Streifzug durch die Salons zu machen. Barnaby überließ Stokes sich selbst - was vermutlich bedeutete, dass sein Freund einen Besuch in der St. John’s Wood High Street machen würde - und eilte zurück in die Jermyn Street, wo Penelope voller Ungeduld im Wohnzimmer auf ihn wartete.
Lange hielten sie sich nicht dort auf.
Der Nachmittag versank langsam im Zwielicht des Novembers, als sie Barnaby nach einem wundervoll besänftigenden Liebesspiel, unterbrochen durch mehrere Partien Schach, die Treppe nach unten und durch die Halle zur hinteren Tür seines Hauses folgte.
Nachdem er erfahren hatte, dass Penelope die Stadtkutsche ihres Bruders benutzte, die etwas weiter entfernt in der Straße wartete, hatte Barnaby dem Kutscher befohlen, den Wagen in der kleinen Gasse hinter dem Haus zu parken. Denn selbst an einem dunstigen Sonntag im November fand sich in der Jermyn Street, der ersten Adresse für Junggesellen der höchsten Kreise, irgendein Spaziergänger auf der Straße. Irgendjemand, der beobachtete, wie ihr zu einer verräterischen Uhrzeit in die Kutsche geholfen wurde, der sie erkannte und ansprach.
Penelope begriff sehr gut, warum Barnaby dem Mann befohlen hatte, die Kutsche hinter dem Haus abzustellen. Während sie recht ungezwungen mit ihrem Ruf umging, machte er sich Sorgen um sie, statt sich über die Umständlichkeiten zu ärgern.
Diese Anteilnahme gehörte zu den Gefühlen in ihrer Beziehung, auf die sie kaum noch verzichten mochte. Sie hatte sich dabei ertappt, sein Verhalten zu entschuldigen, hatte seine besitzergreifende und beschützende Art hingenommen, obwohl jeder andere Gentleman eine harsche Zurückweisung kassiert hätte. Aber bei Barnaby verfiel sie in zärtliche Zuneigung, und zwar nach außen wie nach innen.
Gleichwohl beunruhigte es sie ein wenig, welche Veränderungen er und ihre Beziehung durchmachten. Dummköpfe konnte sie genauso schwer ertragen wie Einschränkungen in ihrer Freiheit oder in ihren Auffassungen. Aber bei ihm ... nein, sie fühlte sich zwar nicht nachgiebiger, aber doch weniger streng, weniger angegriffen, bereitwilliger und eher in der Lage, ihm innerhalb gewisser Grenzen entgegenzukommen. Auf eine Art, die sie selbst noch näher bestimmen musste - sie allein musste entscheiden, ob
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