Im Feuer der Nacht
vorantreiben können.«
Stokes nickte. »Morgen werde ich den Kommissar sehen und ihm über unsere Neuigkeiten berichten. Und ich werde meinen Kontakt treffen. Wenn der Kontakt seine Unterstützung anbietet, werde ich dich benachrichtigen.«
Sie trennten sich. Barnaby eilte nach draußen in die einbrechende Dunkelheit. Wieder blieb er auf den Stufen des Gebäudes stehen, um Bilanz zu ziehen.
Stokes war beschäftigt, hatte einen weiten Weg vor sich. Er dagegen ...
Der Impuls, etwas zu tun und nicht nur abzuwarten, bis Stokes ihm eine Nachricht zukommen ließ, drückte ihn wie ein Alb. Saß ihm wie ein Kobold auf den Schultern und flüsterte ihm Worte ins Ohr.
Wenn er Penelope Ashford jetzt, wo er ahnte, in welche Richtung sich die Sache entwickelte, unverzüglich informierte, würde er ihr unter Umständen nützlichere Einzelheiten als bisher entlocken können. Denn er zweifelte kaum daran, dass in ihrem Kopf zahlreiche sachdienliche Hinweise steckten. Außerdem hatte er ihr mehr oder weniger versprochen, sie wissen zu lassen, zu welchen Schlüssen Stokes gelangt war.
Das penetrante Weib.
Das komplizierte Weib ... mit lüsternen, reifen Lippen.
Verwirrenden Lippen.
Barnaby schob die Hände in die Taschen und stieg weiter die Stufen hinunter. Wenn er Penelope Ashford noch an diesem Abend sprechen wollte, würde er nur ein einziges Problem aus dem Weg räumen müssen, nämlich: ihr in irgendeinem Salon zu begegnen.
Der Abend war angebrochen, und Penelope war gezwungen, sich dem hinzugeben, was sie als Verkleidung betrachtete. Sie musste ihr eigenes Selbst hinter sich lassen, um sich in Miss Penelope Ashford zu verwandeln, die jüngste Schwester des Viscounts Calver-ton, jüngste Tochter der verwitweten Minerva, Lady Calverton, und einzige unverheiratete Frau im Clan.
Diese letzte Bezeichnung zerrte an ihren Nerven, nicht weil sie die Absicht hatte, ihren Familienstand zu ändern, sondern weil es sie in mancher Hinsicht ins Abseits manövrierte - oder besser, auf ein Podest hob, das sie zynischerweise an das Pult auf einer Auktion erinnerte. Während es ihr keinerlei Schwierigkeiten bereitete, die irrigen Annäherungen zurückzuweisen, die viele junge Männer sich unvermeidlicherweise erlaubten, ärgerte es sie, dass sie sich so verhalten musste. Es war verwirrend, dass sie ihre Gedanken beiseiteschieben und Geduld und höfliche Worte finden musste, um die lästigen Gentlemen in die Schranken zu weisen.
Besonders deshalb, weil sie, wenn sie im Ballsaal abseits stand, mit dem Geist gewöhnlich in ganz andere Regionen gedriftet war. An die Thermopylen, zum Beispiel. Denn die alten Griechen besaßen eine wesentlich größere Anziehungskraft auf sie als die jungen Burschen, die versuchten, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
Heute Abend war Lady Hemmingfords Salon der Schauplatz des Geschehens. Gekleidet in modisch grünen Satin mit so dunkler Schattierung, dass er fast schwarz wirkte - denn die Familie hatte Schwarz, die Farbe ihrer Wahl, verboten -, stand Penelope abseits an der Wand und betrachtete die Soiree, die in vollem Gange war.
Ungeachtet ihrer Langeweile, um nicht zu sagen: ihrer Antipathie gegenüber solchen Geselligkeiten, durfte sie nicht fernbleiben. Dass sie ihre Mutter zu jedweden abendlichen Zusammenkünften, für die die Witwe sich entschied, zuverlässig begleitete, war Teil der Vereinbarung, die sie mit Luc und ihrer Mutter getroffen hatte; im Gegenzug blieb Lady Calverton in der Stadt, wenn die restliche Familie sich bereits aufs Land zurückgezogen hatte, sodass Penelope es sich erlauben konnte, ihre Arbeit im Findelhaus fortzusetzen.
Luc und ihre Mutter hatten ihr strikt die Bewilligung verweigert, allein in London zu bleiben oder doch wenigstens mit ihrer verwitweten Cousine Helen als Anstandsdame. Denn unglücklicherweise konnte sich, Penelope eingeschlossen, niemand vorstellen, dass die sanftmütige Helen in der Lage war, sie im Zaum zu halten. Trotz der wenig hilfreichen Haltung ihres Bruders konnte sie seine Ein wände verstehen.
Und sie hatte ebenso begriffen, dass es einen unausgesprochenen Teil in der Abmachung gab: Sie musste zustimmen, vor jenen Salongästen zu paradieren, die sich noch in der Hauptstadt aufhielten, um ihre Chancen auf eine angemessene Partie nicht zu schmälern.
Innerhalb der Familie gab sie ihr Bestes, solche Gedanken offen zu verwerfen. Denn sie sah keinerlei Vorteil in einer Heirat. Nicht in ihrem Fall. Wenn sie sich in der Gesellschaft bewegte, beraubte sie
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