Im Feuer der Nacht
heute nicht besonders einfallsreich sein musste, um sich an ihren Plan zu halten. Denn sie hatte bereits die nötigen Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass er nicht in ihrer Nähe auftauchen würde. Wozu brauchte sie eine Begleitung, um die drei Jungen zu besuchen?
Lächelnd grüßte sie Leighton, der an der Tür auf sie wartete, blieb vor dem Spiegel in der Halle stehen und überprüfte den Sitz ihrer Haube. Es war kaum halb neun, viel zu früh für einen Gentleman, um schon auf den Beinen zu sein. Und selbst wenn er bemerken würde, dass sie ihn zurückgelassen hatte, hatte sie schließlich drei Adressen zu konsultieren. Die Chance, dass er richtig riet, wohin sie zuerst gefahren war, war also verschwindend gering.
Für heute befand sie sich in Sicherheit. Penelope drehte sich vom Spiegel weg und bedankte sich bei Leighton, der die Tür für sie öffnete. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen schritt sie über die Schwelle ...
Penelope erstarrte beim Anblick des hellen Lockenkopfs zwischen den breiten Schultern, die sich, eingehüllt in einen eleganten Umhang, an das Gatter am Bürgersteig lehnten.
Hinter ihr murmelte Leighton ein paar Worte: »Mr. Adair hatte bemerkt, dass er sich glücklich schätzen würde, draußen auf Sie warten zu dürfen, Miss.«
Um sie nicht zu warnen, dass ihr Plan längst durchkreuzt war. »Allerdings.«
Es war ein kühler und feuchter Morgen. Der Nebel waberte durch die Straßen, die Schwaden hüllten das Pferd ein, das mit der Droschke am Rinnstein wartete. Er hätte es sicher behaglicher gehabt, wenn er sich drinnen aufgehalten hätte.
Mit zusammengekniffenen Augen stieg sie die Stufen hinunter.
Barnaby hörte die Schritte und wandte den Kopf, lächelte ... ein ungezwungenes, charmantes Lächeln, in dem sich keinerlei Triumph spiegelte. Er stieß sich vom Zaun ab, als sie den Bürgersteig erreicht hatte, schlenderte zum Wagen, öffnete die Tür und bot ihr die Hand.
Penelope hätte die Augen nicht noch schmaler zusammenkneifen können. Sie drückte ihm die drei Akten in die Hand, raffte ihre Röcke zusammen und kletterte ohne Hilfe in die Droschke.
Es mochte sein, dass er vor Lachen gluckste, aber immerhin so, dass sie es nicht hörte. Sie ließ sich in die entfernteste Ecke sinken, richtete rasch ihre Röcke und schaute dann aus dem Fenster.
Barnaby stieg ebenfalls ein und schloss die Tür. Sie spürte, wie das Polster nachgab, als er sich neben sie setzte.
Die Kutsche ruckte an und rollte los. Penelope hatte nicht gehört, dass er dem Fahrer eine Richtung angegeben hatte. »Wohin fahren wir?«, fragte sie stirnrunzelnd.
Barnaby wich ihrem Blick aus, lehnte nur den Kopf gegen das Polster und machte es sich bequem. »Der Kutscher stammt aus dem East End, kennt die Gegend also recht gut. Wir haben über die beste Strecke gesprochen, werden zuerst in die Gun Street fahren, dann nach North Tenter und zum Schluss in den Black Lion Yard.«
Es wäre kindisch, verächtlich zu schnauben, nur weil er die Sache so ausgezeichnet in die Wege geleitet hatte. »Verstehe.« Penelope drehte sich weg, betrachtete die vorbeifliegenden Straßenzüge und mahnte sich, nicht zu schmollen.
Als sie die erste Adresse erreicht hatten, die dem Spitalfields Market gegenüberliegende Gun Street, hatte ihre Irritation sich weitgehend verflüchtigt. Barnaby hatte ihr keinen Vorwand zu weiterem Protest geliefert. Außerdem reichte es, bei ihm zu sein, in seiner Nähe, um ihren Widerstand zu ersticken.
Ungeachtet dessen mahnte Penelope sich streng, sich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren - das hieß, weitere Jungen ausfindig zu machen, für die die Verbrecher sich interessieren könnten - und der albernen Beschäftigung ihrer Gedanken mit Barnaby Adair und seiner Arbeit keinerlei Beachtung mehr zu schenken.
Penelope wappnete sich innerlich und ließ sich von ihm an der Ecke zur Gun Street aus der Kutsche helfen.
Die Gun Street war eine kleine Straße. Schon beim ersten Blick auf den Jungen, den sie sich hatten anschauen wollen, war offensichtlich, dass er als Kandidat für die Lehranstalt nicht infrage kam. Er war schwerfällig und von gedrungener Statur; es reichte ein Blick auf den zugegebenermaßen ausgezehrten Vater, um zu vermuten, dass der Junge von Monat zu Monat noch breiter werden würde.
Penelope entschuldigte ihre Besichtigung vor Ort damit, ein paar Einzelheiten in der Akte überprüfen zu wollen. Barnaby hielt sich an ihrer Seite, als sie ein paar Minuten im
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