Im Glanz der roten Sonne Roman
ihm her, ohne sich darum zu kümmern, wer ihre Worte mitbekam.
Ihr Widerstand ließ Max aufhorchen, und er blieb stehen. »Du bist ja schon wieder betrunken!«, stieß er hervor.
Sie wusste, dass er sie demütigen wollte, und das entfachte ihren Zorn noch mehr. »Nein, bin ich nicht«, gab sie kalt zurück. »Ich wünschte, ich wäre es!«
»Dann sieh zu, wie du nach Hause kommst! Trink dir den letzten Rest Vernunft aus dem Hirn, mir ist es egal!« Max stieg auf den Wagenbock und begann, mit der Peitsche wütend auf das Pferd einzuschlagen. Gleich darauf war er in der Dunkelheit verschwunden.
Als Letitia später ans Tor von Willoughby kam, waren die beiden Flügel geschlossen. Sie betrachtete es als weiteren Schlag ins Gesicht, als weitere in einer langen Reihe von Demütigungen. Sie war mit Celia, Warren und Lexie gekommen und so wütend wie nie zuvor im Leben.
»Warren, ich wäre dir sehr dankbar, wenn Celia und Lexie heute auf deiner Plantage übernachten könnten«, sagte sie.
Die Schwestern wechselten einen erstaunten Blick.
»Selbstverständlich, Mrs Courtland«, erwiderte Warren, den es offensichtlich ebenfalls überraschte, dass eine Dame wie Letitia eine so unschickliche Bitte äußerte.
Celia geriet regelrecht in Panik. »Du solltest heute nicht mit Vater allein bleiben«, meinte sie. »Komm doch mit uns, Mutter!«
»Euer Vater und ich haben einige Dinge zu besprechen – und zwar allein!«, erwiderte Letitia und blickte zum Haus hinüber.
Die Mädchen hörten die eisige Beherrschtheit in ihrer Stimme, die ihnen Angst einflößte. Nie zuvor hatten sie ihre Mutter so gesehen. Sie schien zu allem entschlossen.
»Ich öffne das Tor, damit wir durchfahren können«, sagte Warren und sprang vom Wagen.
»Lass nur, Warren«, antwortete Letitia. »Ich gehe zu Fuß die Auffahrt entlang.« Sie erlaubte ihm lediglich, ihr beim Aussteigen aus seinem offenen Landauer die Hand zu reichen.
»Sei bitte vorsichtig, Mutter!«, bat Lexie eindringlich.
»Ich komme schon zurecht. Ich muss nur ein paar Dinge klären.«
Als Letitia sich dem Haus näherte, sah sie Licht im Wohnzimmer. Sie war erleichtert, dass Max noch nicht zu schlafen schien, denn was sie ihm sagen wollte, konnte nicht bis zum Morgen warten. Gerade wollte sie die Stufen der Verandatreppe hinaufsteigen, als sie in der Nähe der Ställe eine Bewegung in der Dunkelheit wahrnahm. Es war Elias, der das Pferd abgeschirrt und den Wagen abgestellt hatte.
»Elias! Wie geht es dir?«, fragte Letitia freundlich und ging auf ihn zu.
Elias senkte den Kopf. »Schon besser, Missus, danke«, erwiderte er leise. Letitia sah, dass er sich sehr vorsichtig bewegte, und schloss daraus, dass er noch immer große Schmerzen haben musste.
»Hat sich eine deiner Wunden entzündet?«, fragte sie besorgt.
»Nein, Missus. Zeta wäscht sie jeden Morgen mit Salzwasser aus.«
Letitia dachte an das rohe Fleisch auf seinem Rücken und schauderte. »Es tut mir Leid, dass man dir so etwas angetan hat, Elias. Das hast du nicht verdient – niemand verdient es, so grausam behandelt zu werden!«
Elias blickte nicht auf. Letitia sah ein paar graue Haare in seinem gekräuselten Schopf, und ihr wurde plötzlich klar, dass er kein junger Mann mehr war.
»Ich habe eine Botschaft für dich«, flüsterte sie ihm zu.Obwohl niemand in der Nähe war, hatte sie beschlossen, vorsichtig zu sein. »Von Jordan Hale. Er möchte, dass du bei ihm arbeitest. Er würde dich gut bezahlen und dich vor Max beschützen.«
Elias blickte sie ungläubig an. »Wollen Sie mich nicht mehr hier haben, Missus?«
Letitia sah die Unsicherheit in seinem Blick. Offenbar glaubte Elias, dass er bestraft werden sollte.
»Natürlich wollen wir dich hier haben – aber ich denke dabei an dich. Es ist besser für dich, wenn du in Eden arbeitest. Jordan Hale ist ein guter Mensch. Man würde sich dort um dich kümmern, und das wünsche ich mir für dich.« Letitia war den Tränen nahe. Sie wusste, dass sie Elias vermissen würde. Er hatte sehr lange zu ihrem Leben gehört.
Doch Elias schüttelte den Kopf. »Es wäre nicht richtig, wenn ich Sie verlasse, Missus.«
Letitia konnte es kaum glauben. Elias’ Treue war unerschütterlich und ließ alles, was ihm angetan worden war, umso ungerechter erscheinen. Letitia war sich darüber im Klaren, dass Max ihn vielleicht umgebracht hätte, wäre sie nicht eingeschritten.
»Gott segne dich, Elias, aber denk bitte darüber nach. In Eden wird dich niemand misshandeln, und
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