Im Glanz der roten Sonne Roman
meine Gefühle verstrickt. Ich will mich nicht entschuldigen, aber Max verbrachte damals sehr viel Zeit in Eden. Mir sagte er, er würde Patrick Hale beim Zuckerrohranbau beraten, aber ich wusste es besser. Er hatte sich in Catherine Hale verliebt ...«
Eve blickte Letitia überrascht an.
»Ich weiß nicht, ob sie seine Gefühle erwidert hat«, fuhr Letitia fort, »denn ich hatte nie zuvor zwei Menschen gesehen, die sich so liebten wie Catherine und Patrick. Jedenfalls erschien meine eigene Ehe mir nur noch absurd.«
»Was ist mit meinem Vater geschehen?«
Letitia kämpfte gegen neuerliche Tränen an. »Er ist ... verschwunden.« Immer wenn sie daran dachte, brach es ihr beinahe das Herz.
»Hat er dich verlassen?«
»Nein. Ich glaube, Milo hatte den Verdacht, dass etwas zwischen uns war, und hat ...« Letitia verstummte. Sie konnte ihre Befürchtungen nicht in Worte fassen.
Eve war entsetzt. »Willst du damit sagen, er hat meinen Vater ermordet ?«
»Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber ich habe ihn nie wiedergesehen. Ich bin sicher, dass er nicht ohne ein Wort verschwunden wäre, würde er noch leben. So war er nicht, und er hat mich von ganzem Herzen geliebt ...«
Der Gedanke, dass sie ihren Vater niemals kennen lernen würde, war zu viel für Eve, und sie begann zu schluchzen. Ihr Anblick brach Letitia fast das Herz. »Ich habe ein Bild von ihm in meinem Schreibtisch versteckt«, flüsterte sie. »Du kannst es haben.«
Augenblicke später hielt Eve das Foto ihres Vaters in den zitternden Händen. Durch den Schleier ihrer Tränen blickte sie auf das Bild eines gut aussehenden Mannes mit dunklen, mandelförmigen Augen. Sein Lächeln zeigte Eve, dass alles,was ihre Mutter gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Trotz ihrer Trauer strömte ihr das Herz vor Freude über, denn Luther Amos vereinte alles, was sie sich von einem Vater stets erträumt hatte.
»Danke, Mutter«, flüsterte sie.
»Es tut mir sehr Leid, dass du ihn nie kennen lernen wirst, Evangeline. Ich erwarte nicht, dass du mir jemals vergibst, aber du musst mir glauben, dass ich dich immer geliebt habe, jeden Augenblick meines Lebens«, sagte Letitia leise.
Eve glaubte ihr. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf, als sie Letitia umarmte. »Du musst deine Schuldgefühle endlich ablegen, Mutter«, sagte sie schluchzend. »Ich hatte bei Tante Cornelia und Onkel Louis eine wunderbare Kindheit, und dafür bin ich sehr dankbar.« Entschlossen wischte sie sich die Tränen von den Wangen. »Wahrscheinlich hast du mir sogar einen Gefallen getan, indem du mich von Max fern gehalten hast. Es hätte mich zerbrochen, jeden Tag mit ansehen zu müssen, wie er die kanakas quält.«
»Ja, es ist herzzerreißend, und ich sehe keine Möglichkeit, etwas daran zu ändern, es sei denn, ich unternehme etwas ...«
Eve wollte nicht, dass ihre Mutter sich in Gefahr brachte. »Es ist schon etwas unternommen worden«, sagte sie im Flüsterton. »Ich kann noch nicht darüber sprechen, und du musst sowieso erst einmal wieder gesund werden!«
»Und du schreibst bitte keine Artikel für die Zeitung mehr. Es ist zu gefährlich!«
Eve schüttelte den Kopf. »Bitte gib mir eine ehrliche Antwort, Mutter. Hat Max dich die Stufen hinuntergestoßen?«
Letitia wirkte verwundert, als würde sie zum ersten Mal ernsthaft über diese Möglichkeit nachdenken. »Ich erinnere mich noch, dass wir uns gestritten haben und dass ich auf die Veranda hinausging, wo es dunkel war. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn verlassen und nach Neuseeland gehen will. Dann habe ich wohl nicht mehr daran gedacht, dass ich oben an derTreppe stand, und mich umgedreht. Ich glaube, Max streckte die Hand aus, aber um mich festzuhalten. Vielleicht hat er mich dabei aus Versehen aus dem Gleichgewicht gebracht, jedenfalls bin ich mit dem Absatz in meinem Kleid hängen geblieben und hingefallen ...«
»Ich kann für ihn nur hoffen, dass es ein Unfall war. Er benimmt sich seitdem nämlich sehr seltsam. Ich habe einen Arzt hierher gebracht, aber er hat sich geweigert, dich untersuchen zu lassen.«
Letitia runzelte die Stirn. »Er ist sicher voller Bitterkeit und tief gekränkt. Trotz meiner Wut habe ich deutlich gespürt, wie sehr es ihn getroffen hat, dass du nicht seine Tochter bist.«
»Es wundert mich, dass er darüber nicht ebenso erleichtert ist wie ich!«
»Er gibt sich immer sehr herzlos, aber ich erinnere mich noch gut an den Ausdruck auf seinem Gesicht, als du deine ersten Schritte getan hast.
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