Im Glanz der roten Sonne Roman
esihr schließlich, sich aufzurichten. Plötzlich sah sie, dass Max nicht mehr hinter ihr war.
»Papa!«, rief sie erschrocken und wandte sich um. Entsetzt sah sie, dass er mehr als zehn Meter zurückgeblieben war und immer weiter in den Fluss gezogen wurde. Er mühte sich mit aller Kraft, zu ihr zu kommen, doch im tieferen Wasser glitt der Schlamm unter seinen Füßen wie Treibsand dahin, und die Unterströmung des Flusses war tückisch.
»Papa!«, schrie Eve noch einmal.
»Ich komme, Evie!« Max kämpfte sich ein Stück voran, doch der tosende Fluss schien unsichtbare Finger zu haben, mit denen er ihn zurückzog. Es schien, als hätte es Max’ letzte Kräfte aufgezehrt, Eve zu retten, und als würde er jetzt einfach aufgeben.
»Komm doch, Papa!«, schrie Eve verzweifelt und streckte eine Hand nach ihm aus. Doch in diesem Moment verlor er vollständig den Halt und rutschte zurück bis an die Seitenwand der Hütte. Genau in diesem Augenblick stürzte die Wand auf der anderen Seite ein, und die Mauer, an der Max lehnte, geriet in Schräglage. Ein Teil des Dachs brach ein und stürzte auf Max.
»Papa!«, rief Eve entsetzt und sah, wie er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Aus einer Kopfwunde lief Blut, das sich mit Wasser vermischte und in Schlieren über seine Wangen lief. Eve machte einen Schritt in seine Richtung, doch plötzlich fühlte sie sich von starken Armen umfangen.
»Nicht, Eve!«, sagte Jordan. Sie hörte die Angst in seiner Stimme und befürchtete das Schlimmste.
»Bitte, Jordan, hilf ihm!«, flehte sie.
Saul und Noah wateten mit langen, kräftigen Schritten in die Fluten. Kurz bevor sie Max erreicht hatten, begann die Mauer auseinander zu brechen, an die er sich stützte. Mehrere Steine trafen ihn, bevor Saul mit seinen Bärenkräften den restlichen Teil wegdrückte, sodass er nach hinten kippte. Noahpackte Max, als dieser unterzugehen drohte, und hielt ihn fest, als die Trümmer der Hütte auch schon von der Strömung davongerissen wurden.
»Papa ...«, murmelte Eve und brach in Jordans Armen zusammen.
Saul und Noah zogen Max an Land, hoben ihn hoch und trugen ihn auf die Veranda, wo sie ihn vor Eve auf den Boden legten. Jordan wusste, dass er jetzt nichts tun konnte, und zog sich ein paar Schritte zurück.
»Papa!«, stieß Eve schluchzend hervor, ging in die Knie und bettete Max’ blutüberströmten Kopf behutsam auf ihren Schoß. »Du wirst wieder gesund«, sagte sie und blickte zu Jordan auf. »Er wird doch wieder gesund, nicht wahr?«
Jordan wusste nicht, was er sagen sollte.
»Evie ...«, murmelte Max.
»Sprich jetzt nicht, Papa. Ruh dich aus, bis wir den Arzt holen können!« Die Frau eines der Nachbarn hatte ihr Kind zu früh bekommen, sodass Dr. Bennett in der Nähe war.
»Nein, Evie, dafür ist es zu spät.« Max schaute Jordan an, und beide Männer wussten, dass er Recht hatte.
»Nein!«, schluchzte Eve und ließ den Kopf sinken. »Ich will dich nicht schon wieder verlieren!« Sie schloss die Augen, um den Schmerz auszuschließen.
»Evie, hör zu ...« Max griff nach ihrer Hand und versuchte sie zu drücken, war aber schon zu schwach.
Eve öffnete die Augen wieder. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass er sterben würde, und wollte diese letzten Augenblicke mit ihm so lange wie möglich festhalten. Der Sturm umtoste noch immer das Haus, doch Eve fühlte sich wie eingesponnen in einen Kokon, ganz allein mit Max, den sie so viele Jahre lang für ihren richtigen Vater gehalten hatte.
»Ich wollte dich nie verletzen, Evie«, sagte er und schaute sie an. Verwundert stellte sie fest, dass der irre Ausdruck ausseinen Augen verschwunden war. Er wirkte ruhig, in sein Schicksal ergeben, und schien zum ersten Mal seit langer Zeit klar zu sein. Jeder Gedanke an Rache lag ihm jetzt fern, und nichts schien ihm wichtiger, als mit seiner Tochter Frieden zu schließen. »Egal was man dir sagt, du wirst immer meine kleine Evie bleiben.« Er versuchte zu lächeln, und Eve zerriss es fast das Herz. Bevor er zum letzten Mal die Augen schloss, flüsterte er noch: »Denk immer daran, dass ... ich dich ... liebe ...«
»Oh, Papa!«, schluchzte Eve schmerzerfüllt.
Am nächsten Morgen ging Eve in aller Frühe auf die Veranda hinaus und setzte sich in einen Stuhl. Es war seltsam still; eine eigenartige Ruhe lag über allem. Kein Vogel sang oder stimmte sein Geschrei an, nicht einmal die wilden Kakadus. Der Wasserspiegel des Flusses schien zwar schon bedeutend niedriger, doch war der
Weitere Kostenlose Bücher