Im Glanz der roten Sonne Roman
starrte ihn verblüfft an. »Woher weißt du ...?«
»Weil ich jedes Wort gehört habe.«
»Du kennst die Wahrheit nicht und wirst sie nie erfahren!«
»Da irren Sie sich. Ich werde die Wahrheit herausfinden, die ganze Wahrheit – und dann werden Sie dafür bezahlen, was Sie getan haben!«
Jetzt spiegelte sich Besorgnis auf Maximillians Gesicht. »Ich warne dich, Junge. Lass meine Familie in Ruhe.«
Jordan wusste, dass Max seinen Töchtern jeden Kontakt mir ihm untersagen würde. Doch dadurch wurde er für sie eine verbotene Frucht – und erst recht interessant.
»Du machst einen Fehler, Jordan, einen großen Fehler«, sagte Max über die Schulter, während er zu seinem Pferd ging, doch er wirkte nicht mehr so selbstbewusst und siegessicher wie bei seiner Ankunft. Nachdem er aufgesessen war, warf er einen verächtlichen Blick über die Plantage und meinte: »Ich hätte diesen Schandfleck schon vor Jahren niederbrennen sollen!«
Jordan ballte die Fäuste. »Wenn meinem Haus, meinem Land oder einem meiner Arbeiter irgendetwas geschieht, Max, werde ich dafür sorgen, dass Willoughby dem Erdboden gleichgemacht wird.«
Max starrte ihn an, und sein Blick sagte deutlich, dass er es Jordan nicht zutraute. Aber konnte er es darauf ankommen lassen? Willoughby, seine Plantage, war Max’ Leben. Wortlos wendete er sein Pferd und ritt die Auffahrt hinunter.
Jordan schaute ihm nach. Obwohl er einen kleinen Sieg errungen hatte, verspürte er keinerlei Triumph. Langsam wandte er sich wieder dem Haus zu und fragte sich, wo er in dieser Nacht schlafen würde und ob er überhaupt ein Auge zubekam.
3
J eden Nachmittag um fünf Uhr zog sich Letitia Courtland mit einem Drink auf ihre schattige Terrasse zurück, üblicherweise mit einem doppelten Rumcocktail. Sie hatte eben das dritte Glas binnen einer Stunde getrunken, als eine einspännige Kutsche durch das Tor am anderen Ende der langen Auffahrt gerollt kam. Auf dem Kutschbock saßen Letitias Töchter Celia und Alexandra.
Letitia beobachtete, wie der Wagen zwischen den bunt blühenden Beeten zu den Ställen fuhr. In den Rabatten prangten rosafarbene und gelbe Hibisken, rote Poinsettien und weiße Gardenien, die vor einem Hintergrund aus Goldrohrpalmen gepflanzt worden waren. Der parkähnliche Garten wurde ständig von drei eigens dafür eingestellten kanakas gepflegt, was dem Willoughby-Anwesen der Courtlands den Neid der Nachbarn eintrug. Doch unglücklicherweise vermochte schon seit langer Zeit weder der Garten noch irgendetwas anderes Letitia Freude zu schenken.
Celia und Alexandra waren so verschieden, dass sie selten gemeinsam etwas unternahmen. Deshalb war es ungewöhnlich, sie zusammen zu sehen, noch dazu in eine angeregte Unterhaltung vertieft, offenbar über ein Thema, das sie beide interessierte. Letitias Neugier war geweckt.
Von ihrem Sessel auf der breiten Veranda aus, die um die gesamte Villa herumführte, beobachtete Letitia, wie ihre Töchter von der Kutsche stiegen, noch immer in lebhaftem Gespräch vertieft. Sie lächelte über die so unterschiedlicheKleidung der Mädchen, in der sich deutlich ihr ebenso unterschiedliches Naturell spiegelte.
Celia trug ein loses, zitronengelbes, züchtiges Sommerkleid von altmodischem Schnitt. Sie war überaus korrekt und versuchte nie, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken wie ihre Schwester Alexandra, die allgemein nur »Lexie« genannt wurde. Celia achtete auf Korrektheit; stets trug sie züchtige Kleidung, und ihre Hände mussten immer gepflegt, ihr glattes, kastanienbraunes Haar stets ordentlich frisiert sein. Sie wollte den Eindruck von strengem Ernst erwecken, was ihr auch sehr gut gelang. Allerdings erregte sie deshalb selten die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts.
Lexie hingegen trug ein rotes Kleid, das eng an ihren wohl gerundeten Hüften anlag und sehr tief ausgeschnitten war. Ihre widerspenstigen schwarzen Haare hatte sie lose zurückgebunden. Wenn sie wütend war oder ihren Willen nicht bekam, zog sie einen Schmollmund, und die dunklen Augen in ihrem hübschen Gesicht blitzten vor Zorn. Lexie war leidenschaftlich und reizbar, hochmütig und fordernd. Oft konnte Letitia kaum fassen, dass ihre Töchter so verschieden waren. Andererseits – bei ihr und Max war es ja genauso.
»Was hat euch denn so in Aufregung versetzt?«, erkundigte sie sich, als die Mädchen mit funkelnden Augen und rosigen Wangen die Verandatreppe heraufkamen. Wie die meisten Häuser in Nordqueensland war auch die Courtland-Villa
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