Im Glanz der roten Sonne Roman
auf doppelt mannshohen Pfählen errichtet worden, um zu verhindern, dass es während der Regenzeit zu Überschwemmungen kam. Bei schweren Wolkenbrüchen konnte es vorkommen, dass binnen einer Nacht mehr als zweihundert Millimeter Niederschlag fielen.
»Jordan Hale ist nach Geraldton zurückgekommen«, sagte Celia so beiläufig, als wäre es eine völlig unwichtige Neuigkeit. Doch Letita entging nicht, dass Celia für ihre Verhältnisse ungewöhnlich aufgeregt war. Ihre normalerweise blassenWangen waren gerötet, und es schien sie wenig zu stören, dass sich Haarsträhnen aus ihrer Frisur gelöst hatten und um ihr Gesicht wehten.
»Jordan Hale? Was will der denn hier?«, meinte Letitia. »Eden ist doch völlig am Ende.«
»Clara Hodge sagt, dass Jordan sehr gut aussieht«, sagte Lexie, als hätte sie die Bemerkung ihrer Mutter gar nicht gehört. Sie machte gar nicht erst den Versuch, ihre Begeisterung zu verbergen, dass ein neues männliches Wesen in der Nachbarschaft erschienen war, das ihr Interesse auf sich zog. Die einheimischen jungen Männer fand Lexie meist langweilig; sie schienen sich nur für die Landwirtschaft, für Pferde und für illegales Schnapsbrennen im Regenwald zu interessieren, wo sie sich heimlich betranken.
»Ich habe gehört, Jordan will Eden wieder aufbauen«, sagte Celia. »Anscheinend will er sogar wieder Zuckerrohr pflanzen.«
»Wirklich?«, fragte Letitia, täuschte jedoch nur Interesse vor. Als sie Jordan Hale das letzte Mal gesehen hatte, war er ein schlaksiger, halbwüchsiger Junge gewesen; seiner Rückkehr vermochte sie nichts Aufregendes abzugewinnen. Sie hatte die Hoffnung inzwischen fast aufgegeben, dass sich in Geraldton irgendetwas ereignen könnte, was ihr eintöniges Leben ein wenig bunter machte.
»Eden«, murmelte sie nachdenklich, »aber dort war doch ...«
Lexie unterbrach sie unsanft. »Jordan soll nicht nur sehr gut aussehen, er soll auch sehr wohlhabend sein. Jemand hat uns erzählt, dass er in der Sägemühle so viel Holz gekauft hat, dass sie es sich leisten konnten, für den Nachmittag zu schließen.«
Letitia blickte ihre Tochter neugierig an.
»Und er ist groß und breitschultrig ...«, fügte Celia verträumt hinzu. Doch kaum hatte sie es ausgesprochen, als sie an Warren denken musste, der weder groß noch breitschultrig war, aber ihr Verlobter, und sie errötete heftig.
Doch Letitia war nun hellhörig geworden, denn ihrer Meinung nach machte Geld einen Mann erst richtig interessant. Seine Anziehungskraft wuchs mit seinem Wohlstand; wenn er gut aussah, war es ein zusätzlicher Pluspunkt. »Hat eine von euch ihn denn gesehen?«, erkundigte sie sich, während sie ihr Glas nachfüllte. Sie konnte kaum glauben, dass Jordan Hale wirklich so gut aussehend und vermögend war, wie die Mädchen behaupteten.
»Celia hat ihn von weitem gesehen. Ich leider nicht«, erklärte Lexie. Sie mixte sich ebenfalls einen Rumcocktail und ignorierte den missbilligenden Blick ihrer Mutter, als sie das Glas auf einen Zug leerte.
»In der Stadt haben alle über Jordan gesprochen«, meinte Celia, »besonders Vera Wilkins und Tessa Carmichael. Vera behauptet, er hätte ihr zugelächelt und würde sie bestimmt zum Tee einladen, wenn er das nächste Mal in der Stadt ist ...«
»Nicht, wenn ich ihm zuerst begegne«, sagte Lexie kokett.
Wie schon oft lag Letitia die Bemerkung auf der Zunge, dass Männer eine Frau, die leicht zu haben war, viel weniger attraktiv fanden als eine, die unerreichbar für sie schien. Das galt besonders, wenn man die Ehe als Ziel anstrebte. Doch Letitia wusste, dass ihr Rat bei Lexie auf taube Ohren stoßen würde. Sie hatte lange und aus tiefster Seele darum gebetet, dass sich ein Mann fand, der Lexie im Zaum zu halten vermochte; sie und Max hatten es nicht geschafft, ihrer Tochter dahin gehend Grenzen zu setzten.
Plötzlich fiel Letitia wieder ein, was sie vorher hatte sagen wollen. »Ihr seid offenbar so sehr mit Jordan Hales Rückkehr beschäftigt, dass ihr eines völlig übersehen habt.«
Lexie und Celia blickten sie verständnislos an.
»Und was soll das sein, Mutter?«, fragte Lexie schließlich.
Letitia blickte sich um, denn sie wollte sicher sein, nicht belauscht zu werden. »Evangeline.«
Die Mädchen verzogen die Gesichter. »Was ist mit ihr?«, fragte Celia.
»Ihr habt mir vor einiger Zeit erzählt, dass einer der kanakas sagt, sie lebe drüben in Eden.« Letitia konnte es kaum fassen, dass ihre jüngste Tochter wie eine Landstreicherin in
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