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Im Hauch des Abendwindes

Im Hauch des Abendwindes

Titel: Im Hauch des Abendwindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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keine Angst haben. Wir machen einfach ein lustiges Spiel daraus.«
    Myra war ihr dankbar für diesen Vorschlag. Und so machten sie es: Ruby kletterte mit den Kindern auf die Ladefläche, und Mick warf eine Plane über sie.
    »O mein Gott, ist das heiß hier drunter!«, stöhnte Ruby. Mick versprach, sich zu beeilen.
    Myra stieg vorne ein.
    »Wann hast du eigentlich das letzte Mal hinterm Steuer gesessen, Myra?«, fragte Mick, als er wendete und Richtung Schule fuhr. Er hatte das Röhren des Motors gehört und war ziemlich sicher, dass sie den ganzen Weg im ersten oder zweiten Gang zurückgelegt hatte, anstatt hochzuschalten. »Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt fahren kannst.«
    Myra warf ihm einen belustigten Blick zu. »Mein Mann und ich hatten sogar ein Auto, als wir heirateten, stell dir vor.«
    »Ehrlich? Ich wusste gar nicht, dass es damals schon Autos gab«, erwiderte Mick in gespieltem Erstaunen.
    »Sehr witzig! Das war 1937, und wir hatten ein dunkelgrünes Ford-Coupé Baujahr 1935. Eine richtige Schönheit«, fügte sie stolz hinzu. »Als mein Mann und ich uns 1936 kennenlernten, arbeitete er schon seit zehn Jahren in der Ford-Niederlassung in Geelong.«
    Sie erwähnte weder, dass er jeden Penny für den Kauf des Autos gespart, noch, dass er den Wagen ein Jahr nach ihrer Hochzeit wieder verkauft hatte, weil sie das Geld für ihr gemeinsames Zuhause und ihr erstes Kind benötigten.
    »Das hab ich nicht gewusst«, sagte Mick.
    »Du weißt noch vieles nicht«, gab Myra zurück. Die gutmütigen Frotzeleien zwischen ihnen waren längst Tradition geworden.
    »Und wann genau hast du das letzte Mal hinterm Steuer gesessen? In den Dreißigern?«
    »Ach was, so lange ist es nun auch wieder nicht her«, fauchte Myra. Sie dachte nach. »Das muss so um 1955 herum gewesen sein. Ja, damals hab ich mir von meinem Nachbarn in Broken Hill das Auto geliehen, weil ich meinen Jüngsten mit einer Platzwunde am Kopf ins Krankenhaus fahren musste. Er war aufs Schuppendach geklettert und heruntergefallen.« Sie lächelte, als sie daran zurückdachte. Damals allerdings war sie in heller Aufregung und voller Sorge um ihr Kind ins Krankenhaus gerast. »Alles war voller Blut. Ich dachte, er stirbt, aber die Wunde wurde mit zehn Stichen genäht, und ich drohte ihm, ich würde ihn zur Adoption freigeben, wenn er noch ein einziges Mal auf den Schuppen kletterte.«
    »Wenn das so lange her ist, ist dein Führerschein bestimmt nicht mehr gültig«, bemerkte Mick und wackelte drohend mit dem Zeigefinger.
    »Was für ein Führerschein?«, schmunzelte Myra. »Den brauchte man in grauer Vorzeit noch nicht.«
    Mick schüttelte seufzend den Kopf und nahm sich vor, künftig den Zündschlüssel abzuziehen, wenn er den Wagen vor dem Hotel parkte.
    Als sie durch die Hauptstraße fuhren, sah Myra die schwarze Limousine vor Charlies Laden stehen. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Sie hoffte inständig, dass er nichts Nachteiliges über Girra oder die Kinder erzählte. Aber jemand musste die Behörden informiert haben, und sie hatte den starken Verdacht, dass dieser Jemand Charlie war.
    Auch Helen Carter, die Lehrerin, war bestürzt, als Myra ihr vom drohenden Schicksal der Angiwarra-Kinder erzählte. Das war nicht die einzige schlechte Nachricht dieses Morgens. Sie hatte außerdem erfahren, dass Sam Brentworth, der siebenjährige Enkelsohn von Agatha und Colin Barnes – und einer ihrer Schüler –, mit seinen Eltern, die sich nach einer Trennung wieder versöhnt hatten, nach Adelaide zurückkehren würde. Das bedeutete mit ziemlicher Sicherheit die Schließung der Schule, da künftig nur noch sieben Schüler die Schule besuchen würden und es mindestens acht sein mussten.
    Zu guter Letzt glaubten Myra und Helen eine Lösung gefunden zu haben: Oola und Myall sollten am Unterricht teilnehmen. Dadurch würde schließlich auch die Forderung nach Integration in die weiße Gesellschaft erfüllt werden, und Helen konnte sich nicht vorstellen, dass die Männer vom Ausschuss zum Schutz der Aborigines die Kinder gewaltsam aus der Schule schaffen würden.
    »Helen, schicken Sie ein paar Kinder zu ihren Eltern. Sie sollen versuchen, so viele Erwachsene wie möglich aufzutreiben – wir brauchen Verstärkung, wenn die Männer hier auftauchen«, sagte Myra.
    Leider gab es in Silverton keinen Polizeiposten, und ob die Einwohner sich für die Kinder stark machen würden, war mehr als fraglich. Hinzu kam die Befürchtung, andere Mütter könnten ihre

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