Im Hauch des Abendwindes
sich um und ließ Ruby stehen. Er wusste, wenn er auch nur eine Sekunde länger blieb, ließ er sich vielleicht zu etwas hinreißen, das er später bedauern würde.
»Gib mir ein klein wenig Zeit«, rief Ruby ihm nach. »Ich finde einen Jockey, ganz bestimmt. Bitte zieh Silver Flake nicht vom Start zurück, bevor du von mir gehört hast!«
Jed würdigte sie keiner Antwort.
Ruby machte sich direkt auf den Weg. Sie war erst ein kleines Stück die Straße entlanggelaufen, die in die Stadt führte, als sich von hinten ein Auto näherte und schließlich neben ihr hielt. Am Steuer saß kein anderer als Mr. Franklin, neben ihm auf dem Beifahrersitz eine Frau.
»Wollen Sie etwa zu Fuß in die Stadt?«, fragte er.
Ruby nickte. Die Mittagssonne brannte heiß vom Himmel, und ihr lief jetzt schon der Schweiß übers Gesicht. »Sie fahren nicht zufällig in die Richtung?«
»Zufällig doch. Wir wollen in der Stadt zu Mittag essen. Kommen Sie, steigen Sie ein; wir nehmen Sie mit.«
Als Ruby auf die Rückbank geklettert war, machte Mr. Franklin sie mit Carla, seiner Frau, bekannt und fügte hinzu, sein Name sei Bob. Sie hätten ebenfalls ein Pferd für das Rennen gemeldet, Sun Downer hieß es.
»Alice Springs ist eine reizende Stadt, aber eine attraktive junge Frau wie Sie sollte nicht unbedingt allein unterwegs sein, vor allem nicht nach Einbruch der Dunkelheit«, warnte Carla sie. »Das Trinken ist praktisch die einzige Zerstreuung für die Einheimischen, gleichgültig, ob Weiße oder Ureinwohner, und sie gehen diesem Zeitvertreib mit Leidenschaft nach.«
»Ich passe schon auf«, versicherte Ruby.
»Es geht mich ja nichts an«, sagte Bob, »aber wieso ist Ihr Partner, der Mitbesitzer des Pferdes, nicht mitgekommen?«
»Er ist stocksauer auf mich«, gestand Ruby. »Ich nehme an, Sie haben unsere Unterhaltung mit angehört?«
Bob nickte. »Sie war nicht zu überhören.«
»Ich weiß ja, dass es falsch war, was ich getan habe, aber ich habe es doch nur gut gemeint. Jeds großer Traum ist es, den Cup zu gewinnen, und in den letzten Wochen ist für ihn so viel schiefgelaufen, da habe ich eben zu einer Notlüge gegriffen. Ich wusste, dass er die Teilnahme am Rennen sonst rückgängig machen würde. Tja, und jetzt suche ich verzweifelt nach einem Jockey.«
»Können wir nicht irgendetwas tun, Bob?«, wandte sich Carla an ihren Mann.
»Wir können unseren Jockey fragen, ob er vielleicht jemanden kennt, der einspringen würde. Aber ich fürchte, Ihre Chancen stehen schlecht, junge Dame«, fügte Bob mit einem kurzen Blick nach hinten hinzu. »Na ja, vielleicht klappt’s ja doch, wir wünschen es Ihnen. Wir werden bis etwa zwei Uhr im Telegraph Hotel sein, das ist nur ein paar Schritte vom Aurora Hotel entfernt. Kommen Sie vorbei, falls Sie eine Mitfahrgelegenheit zurück zur Rennbahn brauchen.«
»Das ist sehr nett. Vielen Dank.«
Die Franklins setzten Ruby an der Leichardt Terrace vor dem Aurora ab.
Carla kurbelte ihr Fenster herunter. »Dort drüben ist der Todd River. Im ausgetrockneten Bett lungern meistens Betrunkene herum, also seien Sie vorsichtig!«
Ruby versprach es. Sie winkte den Franklins noch einmal zu und betrat dann das alte Hotel. Auf ihre Nachfrage erklärte ihr der Geschäftsführer, dass die meisten Jockeys noch nicht eingetroffen seien.
»Sie werden im Lauf der nächsten Stunden kommen. Zwischen ein und drei Uhr landen Maschinen aus verschiedenen Bundesstaaten. Sie können gern hier warten, wenn Sie möchten.«
»Darf ich mich in die Halle setzen?« Aus der Bar erscholl Gelächter und Gegröle, und draußen war es viel zu heiß.
»Selbstverständlich. Möchten Sie etwas zu essen bestellen? Ich kann Ihnen Fisch und Pommes frites empfehlen. Der Fisch ist ganz frisch, er wurde heute Morgen im Todd River gefangen.«
Ruby guckte ihn verdutzt an. »Wie bitte? Mir wurde gesagt, der Fluss sei ausgetrocknet.«
»Ein kleiner Scherz.« Der Geschäftsführer lachte über seinen eigenen Witz. »Der Fisch wird tiefgefroren angeliefert, aber er schmeckt ausgezeichnet. Haben Sie gewusst, dass jedes Jahr eine Regatta auf dem Todd River stattfindet?«
»Ist das auch wieder ein kleiner Scherz?«, fragte Ruby skeptisch.
»Nein, das nicht«, antwortete der Mann lachend. »Henley-on-Todd ist offiziell die einzige Regatta der Welt, die auf einem ausgetrockneten Fluss stattfindet. Das ist immer ein Mordsspaß.«
Ruby war sich nicht sicher, ob er sie nicht doch auf den Arm nehmen wollte. »So, na ja. Bringen Sie
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