Im Hauch des Abendwindes
konnte sich inzwischen kaum noch auf dem Barhocker halten und hatte Mühe, sich verständlich auszudrücken. Einige der Einheimischen glaubten, dass sie die ganze Geschichte nur erfunden hatte oder zumindest stark übertrieb, um die wahren Gründe für ihre Suche nach Jed Monroe zu verschleiern.
»Dann gehört dir also die Hälfte von Silver Flake, wenn ich das richtig verstanden habe«, sagte Barnsey. Dass Jed nicht der alleinige Besitzer des Pferdes sein sollte, war ihm neu.
»So ist es, aber ich will das Pferd nicht«, nuschelte Ruby. »Ich will Jed Monroe meinen Anteil verkaufen und auf dem schnellsten Weg zurück nach Sydney.«
Die Gäste wechselten zweifelnde Blicke.
»Was ist Silver Flake deiner Ansicht nach denn wert?«, fragte Barnsey.
»Ich hab keinen blassen Schimmer. Aber so wie ich mein Glück kenne, wahrscheinlich nicht viel. Egal, ich kann jeden Cent brauchen. Vor ein paar Tagen hab ich meinen Job verloren, und meine Mom und ich mussten aus unserer Wohnung ausziehen, weil wir die Miete nicht mehr bezahlen konnten.«
»Wo ist deine Mom denn jetzt, Schätzchen?«, fragte Agatha Barnes, die neben Colin getreten war, mit dem sie seit fünfundvierzig Jahren verheiratet war.
»Bei ihrer Schwester«, antwortete Ruby. Im nächsten Moment riss sie die Augen auf und schnappte erschrocken nach Luft. »O mein Gott, sie macht sich bestimmt Sorgen, weil sie noch nichts von mir gehört hat!«
»Und warum bist du nicht mitgegangen?«, fragte Agatha weiter. »War bei deiner Tante kein Platz mehr für dich?«
»Doch, schon, aber ich wollte nicht in einem Nest wie Fern Bay leben. Ich brauche die Großstadt, ich liebe Partys und gehe gern in Musikbars. Ich weiß nicht, wie ihr das hier draußen aushaltet, in diesem Staub und in dieser Einöde!« Dann wurde ihr bewusst, was sie gesagt hatte, und sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Nehmt das bitte nicht persönlich«, fügte sie hinzu. »Ich kann nicht glauben, dass ich am selben Tag, an dem ich erfahren habe, dass mein Vater nicht tot gewesen war, sondern ganz in der Nähe gelebt hatte, erst meine Stelle verloren und dann meinen Verlobten in flagranti ertappt habe! Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert?«
Barnsey guckte sie verdutzt an. »Du warst verlobt?«
»Ja, hab ich das nicht erwähnt?«
»Nein, hast du nicht.« Barnsey zog die Brauen hoch und blickte vielsagend in die Runde.
»Gavin hat mich mit einer anderen betrogen«, sagte Ruby bitter.
»So ein Dreckskerl«, empörte sich Connie Mitchell.
»Du hättest ihn an den Kastrationsapparat anschließen sollen«, witzelte Ernie, und die Männer lachten.
»Ach, halt den Mund, Ern«, wies Connie ihren Mann zurecht. Sie sah Ruby an. »Und was hast du gemacht, als du dahintergekommen bist?«
Ruby schnitt eine Grimasse. »Ich bin zu seiner Wohnung gegangen und hab ihn erwischt, wie er Chrissie Williams küsste. Chrissie ist das Flittchen in unserem Viertel, sie spannt jedem Mädchen den Freund aus.«
»Wie sieht sie denn aus?« Jacko lief förmlich das Wasser im Mund zusammen. Betty gab ihm einen tadelnden Klaps auf den Arm, aber er bemerkte es genauso wenig wie Ruby.
»Blond, blaue Augen, große … na, ihr wisst schon. Ich hab Gavin zur Rede gestellt und gesagt …« Ruby brach unvermittelt ab. »Ach, egal.«
»Nein, nein, erzähl schon, was hast du zu ihm gesagt?«, drängte Betty aufgeregt.
Ruby schüttelte verlegen den Kopf. »Nein, das kann ich nicht.«
»Natürlich kannst du das. Wir werden es auch ganz bestimmt nicht weitererzählen«, versicherte Betty, was angesichts der Tatsache, dass praktisch die ganze Stadt im Pub versammelt war, ein lächerliches Versprechen war.
»Genau, wir sind weltoffen und tolerant hier draußen«, ergänzte Barnsey. »Uns schockiert so schnell nichts.«
»Das vielleicht schon«, meinte Ruby.
Barnsey schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht.«
»Hast du ihm erzählt, dass du ein Kind von ihm kriegst?«, fragte Jacko.
Ruby starrte ihn groß an, woraufhin Agatha ihn in den Magen boxte. »Zu der Sorte Mädchen gehört Ruby nicht«, schalt sie ihn.
Jacko lief rot an und rieb sich den Bauch. »Hätte ja sein können«, keuchte er.
»Na ja, ich mach so was sonst wirklich nicht, aber Gavin hatte es verdient«, sagte Ruby.
Das machte alle nur noch neugieriger.
»Los jetzt, raus mit der Sprache!«, forderte Connie sie auf.
Ruby druckste noch eine Sekunde herum, dann feixte sie: »Ich hab ihm gesagt, er soll zum Arzt, ich hätte
Weitere Kostenlose Bücher