Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
sich. Er verband seine umfassenden Kenntnisse über Galens Texte, Hippokrates’ Weisheit und ethische Werte mit seinem mitfühlenden, leidenschaftlichen Wesen und wurde so zu einem kompetenten Arzt und Lehrer.
In der islamischen Welt wird man al-Razis Namen immer mit einigen der ersten Krankenhäuser in Verbindung bringen. Diese wurden zur Abassidenzeit nicht mit dem heutigen arabischen Begriff als mustashfa bezeichnet, sondern mit dem persischen Wort bimaristan (von Pachlevi vimar oder vemar = krank und -stan , dem Suffix für »Ort«). Anfangs waren diese Institutionen nach dem Vorbild der nestorianisch-christlichen Einrichtungen gestaltet, insbesondere was ihre Verwaltung und die Finanzierung durch milde Gaben anging. Man kann sogar feststellen, dass die meisten Ärzte in Bagdad während des 9. und 10. Jahrhunderts Christen oder Juden waren.
Ungefähr zur gleichen Zeit wurden waqf eingerichtet, wohltätige Stiftungen nach islamischem Recht. Ein Teil der Gelder aus solchen Stiftungen floss in den Bau von Krankenhäusern. [125] Diese vermehrten sich im gesamten Großreich, und Großstädte wie Kairo und Córdoba hatten Dutzende von Hospitälern vorzuweisen.
Kurz nach Beginn des 10. Jahrhunderts erhielt al-Razi vom Kalifen al-Muktafi den Auftrag, bei der Auswahl des Ortes für ein neues Krankenhaus mitzuwirken. Dazu ließ er in verschiedenen Bezirken Bagdads frische Fleischstücke aufhängen. Einige Tage später überprüfte er die Stücke, und dann wählte er den Bezirk, in dem das Fleisch am wenigsten verwest war – er erklärte, die »Luft« sei dort sauberer und gesünder. Nachdem der Kalif 907 gestorben war, kehrte al-Razi in seine Heimatstadt Rayy zurück und übernahm dort die Leitung des örtlichen Krankenhauses.
Später, während der Regierungszeit des Kalifen al-Muqtadir (908–932), wurden in Bagdad mehrere weitere neue Kliniken gebaut. [126] Die größte davon, al-Bimaristan al-Muqtadiri, errichtete der Wesir Ali ibn Isa in Suq Yehya , einem Stadtteil am Ostufer des Tigris. Wieder wurde al-Razi, der zu dieser Zeit noch das Krankenhaus von Rayy leitete, als Direktor der neuen Einrichtung berufen.
Der bekannte arabische Reisende Ibn Jubayr schreibt über seinen Besuch in Bagdad und in dem zu seiner Zeit bereits 200 Jahre alten al-Muqtadiri-Krankenhaus:
Diese großartige Einrichtung ist ein schönes Gebäude, welches sich entlang des Tigrisufers erstreckt. Seine Ärzte machen jeden Montag und Donnerstag Visite, um die Patienten zu untersuchen und ihnen je nach Bedarf etwas zu verschreiben. Den Ärzten stehen Diener zur Verfügung, die Rezepte für Arzneien ausstellen und das Essen bereiten. Das Krankenhaus ist in verschiedene Stationen unterteilt, von denen jede eine Anzahl von Zimmern umfasst; dies vermittelt den Eindruck, als sei der Ort ein Königspalast, in dem alle Bequemlichkeiten geboten werden. [127]
Zu den Aspekten, in denen sich die muslimischen Krankenhäuser des Mittelalters von ähnlichen Einrichtungen in anderen Ländern unterschieden, gehörte ein höherer Standard der medizinischen Ethik. Die Ärzte behandelten Patienten aller Religions- und Volkszugehörigkeiten. Man erwartete, dass sie sich ihren Patienten unabhängig von deren Vermögen oder Herkunft verpflichtet fühlten. Erstmals schriftlich niedergelegt wurden diese ethischen Maßstäbe im 9. Jahrhundert von Ishaq bin Ali al-Rahawi; sein Werk Das Verhalten eines Arztes ( Adab al-Tabib ) ist die älteste bekannte arabische Abhandlung über ärztliche Ethik.
Die Aufsicht über einen großen Teil der medizinischen Tätigkeit in Bagdad zur Zeit al-Razis führte Sinan ibn Thabit, der Sohn des großen Mathematikers und Übersetzers Thabit ibn Qurra. Sinan war das, was man heute als Chefarzt bezeichnen würde; er erhielt vom Kalifen al-Muqtadir den berühmten Befehl, dafür zu sorgen, dass alle Ärzte sich durch eine Prüfung für ihre Tätigkeit qualifizierten. Sie übernahmen sogar den berühmten hippokratischen Eid und passten ihn an die islamische Denkweise an.
Al-Razi setzte viele fortschrittliche medizinische und psychologische Ideen in die Praxis um. Im Krankenhaus von Bagdad leitete er die psychiatrische Station zu einer Zeit, als man in der christlichen Welt glaubte, geistig erkrankte Menschen seien vom Teufel besessen. Er ist sogar als Vater der Fachgebiete von Psychologie und Psychotherapie anerkannt. Außerdem griff er diejenigen an, die ohne medizinische Ausbildung durch Stadt und Land zogen, um ihre Heilmittel und
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