Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
zusammenstellten. Auf diese Pioniere folgte eine lange Reihe großartiger Astronomen, deren peinlich genaue Messungen weitaus präziser waren als alles, wozu die Griechen in der Lage gewesen wären. Zu den größten unter ihnen gehörten der syrische Astronom al-Battani (Albatenius, ca. 858–929) und der Ägypter Ibn Yunus (ca. 950–1009); beide gelten allgemein als die größten beobachtenden Astronomen des Islam.
Zu den vielen Verbesserungen und Korrekturen der astronomischen Messungen von Ptolemäus gehörten jene, die seine Werte für die Länge des Jahres, die Neigung der Ekliptik (die Schrägstellung der Erdachse im Verhältnis zur Ebene ihrer Umlaufbahn), die Präzession der Fixsterne (von der wir heute wissen, dass sie auf die allmähliche Verschiebung der Erdachse zurückzuführen ist) und das Sonnenapogäum (die größte Entfernung der Sonne von der Erde) betrafen. [190] Diese neuen Messungen waren so umfangreich und wichtig, dass ich versucht bin, sie ausführlicher zu beschreiben, aber ich möchte hier nur festhalten, dass auch Kopernikus die Arbeiten von al-Battani insbesondere in dieser Hinsicht kannte und ihn in seinen De revolutionibus regelmäßig zitierte.
Ich möchte aber noch einmal zu Ptolemäus und dem kosmologischen Modell, das die muslimischen Astronomen von ihm erbten, zurückkehren. Wenn wir seine Erfolge und Fehler nicht verstehen, werden wir uns auch nicht in der jahrhundertelangen islamischen Astronomie zurechtfinden, die schließlich zu Kopernikus führte. Wie bereits erwähnt wurde, kann man zunächst einmal die wichtigste Unterscheidung zwischen Ptolemäus und Kopernikus treffen: Sie liegt im historischen Wechsel vom geozentrischen zum heliozentrischen Modell des Universums. Aber Kopernikus war nicht der Erste, der die Vermutung äußerte, die Erde kreise um die Sonne.
Der allererste Astronom, der bekanntermaßen ein heliozentrisches Modell vorschlug, war der Grieche Aristarchus von Samos (ca. 310–230 v.u.Z.). Er behauptete zu Recht, die Erde rotiere um ihre eigene Achse und bewege sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne. Wie sein Zeitgenosse Eratosthenes, so hatte auch Aristarchus die Größe der Erde berechnet und die Größe sowie den Abstand von Sonne und Mond abgeschätzt. Aufgrund solcher Überlegungen war er zu dem Schluss gelangt, dass die Sonne einen sechs- bis siebenmal größeren Durchmesser als die Erde und demnach ein mehrere hundertmal größeres Volumen haben müsse. Manche Autoren haben die Vermutung geäußert, diese Berechnung der Größenverhältnisse von Erde und Sonne habe Aristarchus zu dem Schluss veranlasst, es sei sinnvoller, dass die Erde sich um die viel größere Sonne bewege als andersherum. Seine Schriften über das heliozentrische System sind verlorengegangen, gewisse Kenntnisse können wir jedoch aus den erhalten gebliebenen Beschreibungen und kritischen Kommentaren seiner Zeitgenossen wie Archimedes ableiten. In einer berühmten Passage seines Werkes Die Sandrechnung schreibt Archimedes:
Du weißt, dass die meisten Astronomen mit dem Wort Kosmos die Sphäre bezeichnen, deren Mittelpunkt mit dem Mittelpunkt der Erde zusammenfällt … aber Aristarchus von Samos hat in schriftlicher Form gewisse Hypothesen veröffentlicht, in denen aus den Annahmen folgt, dass der Kosmos viele Male größer sein muss als der zuvor erwähnte. Er nimmt nämlich an, dass die Fixsterne und die Sonne am gleichen Ort bleiben, während die Erde sich auf dem Umfang eines Kreises um die Sonne bewegt. [191]
Leider wusste Archimedes nicht, dass Aristarchus mit seiner Beschreibung den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Aristarchus glaubte auch, die Sterne seien sehr weit entfernt, und hielt dies für den Grund, warum es keine sichtbare Parallaxe gibt.
Der einzige andere Astronom, von dem man weiß, dass er Aristarchus’ heliozentrische Theorie unterstützte und vertrat, war der Babylonier Seleucus (ca. 190 v.u.Z.). Aristarchus und Seleucus waren wahrscheinlich in der Antike die einzigen Astronomen, die sich den Gedanken, dass die Erde um die Sonne kreist, zu eigen machten. [192] Nach Angaben des griechischen Historikers Plutarch führte Seleucus als Erster mit logischen Überlegungen einen Beweis für das heliozentrische System, aber welcher Argumente er sich dabei bediente, ist nicht bekannt; außerdem ist diese Interpretation von Plutarchs Schriften ihrerseits umstritten, [193] denn Seleucus’ »Beweis« für die heliozentrische Theorie bestand in Wirklichkeit vielleicht
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