Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
nur darin, dass er auf der Grundlage seiner Theorie eine Zahlentabelle berechnet hatte.
Das heliozentrische Modell wurde aber sehr schnell von einigen der größten Denker der griechischen Antike zugunsten des geozentrischen Weltbildes verworfen. Selbst Hipparchus (Blütezeit ca. 162–127 v.u.Z.), der beste beobachtende Astronom der Antike, lehnte Aristarchus’ heliozentrisches Modell völlig ab. Hipparchus war auf der Insel Rhodos tätig, stand aber in engem Kontakt mit anderen Astronomen in Alexandria und Babylon. Er legte Wert auf sorgfältige Messungen, war bereit, seine eigenen Überzeugungen angesichts neuer Belege zu revidieren, und wurde berühmt mit seiner erbarmungslosen Kritik an nachlässigen Überlegungen anderer Gelehrter wie Eratosthenes. Damit war er nahezu als Einziger unter den Griechen einer der ersten Anhänger der naturwissenschaftlichen Methode, und er hätte auch unter großen islamischen Astronomen wie al-Battani, Ibn al-Haytham und al-Biruni nicht deplatziert gewirkt. Hipparchus’ wichtigsten astronomischen Untersuchungen beschäftigten sich mit den Umlaufbahnen von Sonne und Mond (in einem geozentrischen Modell) sowie ihrer Entfernung von der Erde. Berühmt wurde er mit einer Berechnung, wonach die mittlere Entfernung des Mondes von der Erde das Dreiundsechzigfache des Erdradius beträgt, womit er nur wenige Prozentpunkte über dem tatsächlichen Wert lag. Außerdem entdeckte er die Präzession der Tagundnachtgleiche (das heißt den Weg, den die Erdachse zurücklegt wie ein wackelnder Kinderkreisel).
Den größten Einfluss auf die antike Astronomie hatte jedoch kein Geringerer als Aristoteles selbst, der fast ein Jahrhundert vor Aristarchus lebte. Und Aristoteles bleibt eine Menge Antworten schuldig. Sein Modell des Kosmos, das er in seinem großen Werk Über die Himmel beschrieb, sollte die Vorstellungen der Menschen über das Wesen des Universums für fast 2000 Jahre prägen und formen. Aber er setzte auf das falsche kosmische Pferd; nicht Ptolemäus, sondern Aristoteles hat die Menschheit ihr langes, fälschliches Festhalten am geozentrischen Universum zu verdanken. Unter allen Fehlurteilen, Verwirrungen, falschen Wendungen und Sackgassen in der Geschichte der Wissenschaft war das aristotelische Universum der folgenschwerste Fehler.
Aristoteles’ Grundidee lautete: Die Erde besetzt den privilegierten Mittelpunkt der sogenannten Himmelssphären, und alle anderen Himmelskörper (Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn – man kannte nur fünf Planeten – und die »Fixsterne«) bewegen sich in vollkommenen Kreisen um sie herum. Dieses kosmologische Modell erforderte ein sehr kompliziertes System aus 55 Sphären, mit denen sich die beobachteten Bewegungen all dieser Körper am Himmel recht gut voraussagen ließen. Man kann sogar so weit gehen, Aristoteles’ Vorstellung fast als wissenschaftliche Theorie im eigentlichen Sinn zu bezeichnen. [194] Anscheinend war sie schon kurz nach ihrer Entstehung allgemein anerkannt, obwohl neue Beobachtungen von Hipparchus und anderen gewisse Modifikationen notwendig machten.
Eine der auffälligsten Anomalien betraf die Bewegung der Planeten, insbesondere des Mars. Man wusste, dass die Planeten sich schneller als die Fixsterne von Osten nach Westen über den Himmel bewegen. Aber ihre Geschwindigkeit ist nicht konstant. Relativ zu den Sternen bewegen sie sich einmal langsamer, dann wieder schneller und manchmal sogar rückwärts. Diese »retrograde« Bewegung passte nicht in das aristotelische Modell; Hipparchus entwickelte dafür eine Lösung, die später von Ptolemäus vervollkommnet wurde.
Um 150 u.Z., als Ptolemäus seine Mathematische Abhandlung veröffentlichte, die später unter ihrem arabischen Titel Almagest bekannt wurde, hatte man Aristoteles’ Modell erweitert, verfeinert und abgewandelt, um es mit den beobachteten Bewegungen der Himmelskörper in Einklang zu bringen. Damit hatte es sich aber von dem Ideal der vollkommenen konzentrischen Sphären, das Aristoteles formuliert hatte, entfernt. Selbst die einfachste Bewegung, die der Sonne, war nicht geradlinig. In einem Modell für ihre »Umlaufbahn« um die Erde bewegte sie sich in einem Kreis, der »exzentrisch« genannt wurde, weil sein Mittelpunkt sich von der Erde entfernte. Auf diese Weise konnten die Griechen das erklären, was nach unserer heutigen Kenntnis die elliptische Umlaufbahn der Erde um die Sonne ist. Nach einem anderen Modell, das dem »exzentrischen« Gedanken
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