Im Haus meines Feindes
mir ist offenkundig, Mr. Basile.«
Er schien widersprechen zu wollen, überlegte sich die Sache dann jedoch anders, zuckte mit den Schultern und sagte: »Gut, es geht mich nichts an. Ich kann nur nicht begreifen, wie jemand â egal, ob Mann oder Frau â sein Leben einem anderen
übergeben und sagen kann: âºHier, entscheide du für mich, ja?â¹ Haben Sie denn niemals eine eigene Entscheidung getroffen?«
»Doch. Ich habe mich einmal gegen Pinkie aufgelehnt und mich heimlich um einen Job in einer Galerie beworben. Ich hatte mich mit Kunst befaÃt, es hat mir Spaà gemacht, und ich habe den Galeristen beim Vorstellungsgespräch mit meinem Wissen und meiner Begeisterung überzeugt. Er hat mich eingestellt. Aber es ging nur zwei Tage.«
»Was ist passiert?«
»Die Galerie wurde niedergebrannt. Das Gebäude mitsamt allen Kunstschätzen war völlig zerstört.« Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. »Der Brandstifter wurde nie gefaÃt, aber ich habe mich auch nie wieder um einen Job beworben.«
Er aà nicht mehr, sondern saà mit aufgestützten Ellbogen da, hielt die gefalteten Hände vor den Mund und starrte Remy über seine Fingerknöchel hinweg an. Sie stellte fest, daà er auch auf den Backenknochen kleine Sommersprossen hatte. Seine Augen waren nicht braun, wie sie ursprünglich gedacht hatte, sondern grün, aber so dunkelgrün, daà man sie für braun halten konnte, wenn man nicht sehr genau hinsah.
»Möchten Sie noch etwas?«
Er schien ihre Frage nicht gleich zu verstehen, dann warf er einen Blick in seine leere Schale. »Ãh, bitte.«
Seine zweite Portion aà er schweigend.
Als er fertig war, deckte sie den Tisch ab. Er erbot sich, das Geschirr abzuwaschen, und sie nahm sein Angebot an. Sie trocknete ab.
»Einen Menschen wie Sie habe ich noch nie kennengelernt«, sagte er. »Heute morgen haben Sie mich praktisch angefleht, Sie zu Ihrem Mann zurückkehren zu lassen, und jetzt erfahre ich, was für ein Tyrann Duvall ist. Sie werden in Ihrem eigenen Haus wie eine Gefangene gehalten. Sie treffen niemals irgendwelche Entscheidungen. Ihre Meinung zählt nicht mal, wenn es
um Ihre eigene Zukunft geht. Sie sind lediglich Duvalls Besitztum  â eine Kostbarkeit, mit der er angibt.«
»Wie seine Orchideen.«
»Orchideen?«
»Er verbringt viele Stunden damit, in seinem Treibhaus Orchideen zu züchten.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein. Aber das ist irrelevant. Bitte reden Sie weiter.«
»Ich nehme an, daà es Sie nicht stört, wie ein Gegenstand in seinem Besitz behandelt zu werden, wenn Sie bedenken, was Sie dafür alles bekommen. Elegante Kleidung, Schmuck. Eine Limousine mit Fahrer. Wie die Mutter, so die Tochter. Sie kassieren nur mehr als Angel.«
Eine Ohrfeige hätte sie nicht schmerzhafter treffen können. Sie warf das Geschirrtuch zu Boden und wandte sich ab, aber eine seiner nassen Hände packte blitzschnell ihr Handgelenk.
»Lassen Sie mich los!«
»Sie haben sich mit Leib und Seele an Pinkie Duvall verkauft und halten Ihre Entscheidung für gerechtfertigt, weil Ihre Mutter eine drogensüchtige Nutte war. Aber das stimmt nicht, Mrs. Duvall. Kinder können sich weder ihre Eltern aussuchen noch die Umstände, in denen sie aufwachsen, aber als Erwachsene sind wir in unseren Entscheidungen frei.«
»Wirklich?«
»Sind Sie anderer Meinung?«
»Vielleicht waren Ihre Entscheidungen leichter zu treffen als meine, Mr. Basile.«
»Oh, ich glaube, daà Ihnen die Entscheidung sehr leichtgefallen ist. Als schöne, begehrenswerte junge Frau hätte ich mich vielleicht auch an den Meistbietenden verkauft.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Ich hätte es vielleicht getan.«
»Nein, ich meine, finden Sie mich wirklich schön und begehrenswert?«
Er machte ein Gesicht, als hätte sie ihm einen Kinnhaken verpaÃt, und lieà ihr Handgelenk los. Aber obwohl sie sich nicht mehr berührten, starrte er sie weiter an. SchlieÃlich sagte er: »Ja, das tue ich. AuÃerdem wissen Sie das doch genau. Sie setzen Ihre Sexualität wie ein Zahlungsmittel ein, und jeder Mann, der Ihnen begegnet, möchte es einlösen â von einem mürrischen alten Griesgram wie Dredd bis hin zu dem stotternden Kerl, der Ihnen neulich auf dem French Market die Orangen verkauft hat.«
Ihre Lippen
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