Im Herzen der Koralleninsel: Ein Südseeroman (German Edition)
schauen.«
»Berthold, bitte. Ich hatte doch schon gesagt, dass ich das nicht möchte.«
Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, aber ich bestehe darauf. Ich muss einfach sichergehen, dass … dass dieser Verbrecher Ihnen nicht geschadet hat.«
Sie blickte zu Boden. »Das hat er nicht.«
Bertholds Seufzen konnte man sicher bis nach draußen hören. »Großer Gott, wie sehr erleichtert mich das. Dann sind Sie also doch noch …« Unberührt, lautete das nicht ausgesprochene Wort.
»Nein, das bin ich nicht«, murmelte sie.
»Nicht?« Bertholds Stimme klang plötzlich etwas piepsig. »Aber Sie sagten doch gerade …«
Sie hob den Kopf. Bald würde es ohnehin ganz Finschhafen wissen. »Ich bin nicht mehr unberührt. Aber Noah hat … er hat mich nicht gezwungen.«
»Dann … Wie … Ich verstehe nicht.« Berthold sah sie verwirrt an. Mit einem Mal veränderte sich sein Ausdruck, wurde nachgiebig wie einem kleinen Kind gegenüber. »Isabel, Liebste, was hat dieser entsetzliche Mensch Ihnen bloß angetan, dass Sie solche Dinge sagen?«
»Er hat mir überhaupt nichts angetan.« Ihr Herz raste plötzlich, ihre Beine zitterten. Bis jetzt hatte sie nicht gelogen. Aber das würde sich gleich ändern. Sie schluckte. »Und – Berthold – das ist nicht das Einzige, was ich Ihnen sagen muss.«
Konnte sie es wirklich tun? Konnte sie Berthold gegenüber behaupten, Noah sei schon in der Mordnacht bei ihr gewesen, und ihm damit ein falsches Alibi geben?
Von der Veranda erhoben sich Stimmen.
»Ah, der Baron!«
»Herr Baron de Wolff ist da!«
»Herr von Faber, wo stecken Sie?«
Berthold stand noch immer vor ihr, wartete. »Was, Isabel? Was müssen Sie mir sagen?«
Isabels Mund war ganz trocken. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. »Das … das hat Zeit. Man wartet auf Sie.«
Als sie hinter Berthold aus dem Vorratsraum ging, spürte sie, wie sie zitterte.
Baron de Wolff wurde bereits von etlichen Gästen auf der Veranda umringt. Wie ein König, der Hof hielt, kam es Isabel in den Sinn. Mit seinen hochgezwirbelten Schnurrbartspitzen, dem Degen an seiner Seite und seinem stattlichen Äußeren hatte er ja auch tatsächlich Ähnlichkeit mit dem Kaiser.
Der Baron ließ sich von Berthold jedem der Anwesenden vorstellen, erst auf der Veranda, dann im Salon, begrüßte die wenigen Damen mit einem galanten Handkuss und schüttelte den Herren die Hand. Auch Herr Lauterbach und Kapitän Pahnke wurden ihm vorgestellt, und zu jedem von ihnen sagte der Baron ein paar freundliche Worte.
Als die Reihe an Herrn Sterz, den Steuermann der Herzogin Elisabeth , kam, verharrte der Baron kurz. Isabel konnte sehen, wie seine sonst so gesunde Gesichtsfarbe einen fahlen Ton annahm. Dann hatte er sich wieder im Griff und reichte dem Steuermann die Hand. »Sehr erfreut, Herr Sterz.«
Sterz schüttelte seine Hand und sah den Baron genau an. »Gründler?«, fragte er schließlich. »Wilhelm Gründler? Wo kommst du denn her? Bist du in Stellung an Bord der Stettin ? Ich habe unseren schönen Reichspostdampfer gar nicht im Hafen liegen sehen.«
»Sie irren, werter Herr«, erwiderte der Baron lächelnd. »Mein Name ist de Wolff. Baron Ferdinand de Wolff. Ich wüsste nicht, dass wir uns kennen.«
»Aber natürlich tun wir das! Wilhelm, ich bin’s, Gustav Sterz! Wir fuhren zusammen auf der Hyäne . Du als Steward, ich als Maschinist.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Der Baron wirkte äußerlich gelassen, aber Isabel sah ein paar feine Schweißtropfen auf seiner Stirn. Ein paar weitere Gäste waren hinzugekommen und verfolgten das Gespräch interessiert.
»Wieso verleugnest du mich?«, fragte Sterz. »Wir waren doch lange zusammen an Bord der Hyäne . Und, mein lieber Gründler, du hast mir oft genug mein schönes Geld beim Kartenspielen abgenommen. Ach ja, du schuldest mir übrigens noch einige Mark. Und seitdem du von Bord gegangen bist, vermisse ich auch meine Kette mit dem silbernen Anhänger.«
»Entschuldigen Sie, Herr Sterz«, mischte sich nun Berthold ein. »Aber Sie können nicht einfach solche Behauptungen aufstellen. Das ist Baron de Wolff, ein Plantagenbesitzer aus Stephansort!«
»Baron de Wolff – dass ich nicht lache!« Sterz geriet zunehmend in Rage. »Nein, dieser Mann ist nichts weiter als ein Hochstapler! Als ich ihn vor ein paar Jahren kennenlernte, war er Steward auf der Hyäne . Ich bin willens zu beschwören, dass es sich bei diesem Mann um Wilhelm Gründler handelt.«
Es war totenstill geworden. Nur
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