Im Herzen der Wildnis - Roman
fragte er sanft.
Sie nickte.
In diesem Augenblick schob er ihr etwas unter die nasse Bluse. Es war spitz und nass und rutschte an ihrem Rücken nach unten. Es war … ein Sequoiazapfen. Shannon riss sich von ihm los, zog sich die Bluse aus der Hose und versuchte den Zapfen abzuschütteln, während Rob bereits ungestüm nach neuer Munition suchte. Doch Shannon war mit fünf Jungs aufgewachsen, die nur Flausen im Kopf hatten, und konnte sich wehren. Sie schlug nach ihm. »Du Mistkerl!«
Kichernd bewarfen sie sich mit Tannenzapfen, sprangen lachend über umgestürzte Sequoias, tollten ausgelassen im Farn herum, und am Ende landete sie wieder in seinen Armen. »Schön war’s!«, keuchte sie atemlos.
»Geht’s dir jetzt besser?«
»Viel besser.«
Sie war ihm dankbar, dass er die Stimmung aufgelockert hatte. Seine Lebensfreude war mitreißend. Während des ganzen Nachmittags lachten sie unablässig – es war albern, aber es tat ihr gut. Sie beobachteten die Eichhörnchen, die von Baum zu Baum flitzten, und sie sahen auch die Bären wieder. Mit Rob hatte sie einen unbändigen Spaß, und erst abends am Lagerfeuer wurde ihr bewusst, dass sie die ganze Zeit nicht an Jay gedacht hatte. Oder an das Kind. Ihr ging es so gut wie seit Wochen nicht mehr.
Rob und sie redeten stundenlang und schmiegten sich im hohlen Baum aneinander, zu dem sie zurückgekehrt waren, weil der Wald noch immer tropfnass war. Sie berichtete ihm von ihren Abenteuern in aller Welt; er hörte aufmerksam zu und stellte viele Fragen, die ihr bewiesen, dass er sich wirklich für sie interessierte. Nicht ein einziges Mal stellte er ihre abenteuerliche Lebensweise infrage. Er fragte sie nicht, ob sie ihren Job als Journalistin aufgeben würde, wenn sie verheiratet wären. Er schien zu akzeptieren, dass sie nicht die Frau sein würde, die hinter ihm stand, sondern die Frau neben ihm, die gleichberechtigte Partnerin an seiner Seite.
Nach dem Frühstück sattelten sie die Pferde und machten sich auf den Weg hinauf zum Mount Tamalpais. Auf halber Höhe des Berges durchstießen sie die dichte Wolkendecke, die seit dem Regenguss über dem Sequoiatal hing. Über eine blühende Wiese ritten sie hinauf zum Gipfel.
Der Blick über die vom Pazifik heranschwebenden Nebelschleier war fantastisch! Die dichte Wolkenschicht, die den blauen Himmel und das rosenfarbene Morgenlicht in zarten Schattierungen reflektierte, schwebte direkt unter ihnen. Es sah aus, als könnten sie über den wogenden Nebel hinweg bis nach San Francisco laufen. Die Skyline war am Horizont zu erkennen. Die Zwillingstürme des Tyrell Tower und des Brandon Building ragten aus der Nebelbank über der Bay, von wo die vertraute Sinfonie der Nebelhörner ertönte.
Rob legte seine Arme um sie und küsste ihren Nacken. »Es ist so wunderschön! Ich möchte noch oft mit dir herkommen.«
Jetzt ist es also so weit, dachte sie. Er will darüber reden.
»Hast du dich schon entschieden?«, fragte sie leise.
Er zögerte. »Nein.« Er atmete langsam ein. »Versteh mich nicht falsch, Shannon. Ich genieße jeden Augenblick mit dir. Wir haben so viel Spaß miteinander. Wir sind die besten Freunde …«
»Aber?«
Er packte sie bei den Schultern und drehte sie zu sich um. »Was erwartest du von mir?«, fragte er geradeheraus.
»Vertrauen. Und Aufrichtigkeit.«
»Und Treue?«
»Tom hat mir gesagt, dass du mir nicht treu sein wirst.«
Er sah ihr in die Augen. »Kommst du damit zurecht?« Als sie nicht antwortete, fragte er: »Willst du getrennte Schlafzimmer?«
Shannon schüttelte langsam den Kopf. »Nur wenn du mit einer anderen geschlafen hast. Ich will nicht, dass du nach ihrem Parfum duftest, wenn du danach in mein Bett kommst. Und ich will nicht, dass du deine Geliebten in unser Haus bringst und dass ich nachts wachliege und eurem Liebesspiel lausche. Ich will immer wissen, mit wem du eine Affäre hast. Und ich will wissen, wohin du gehst, wenn du mich verlässt. Ich will dich nicht heiraten, um mit dir unglücklich zu sein, Rob. Keine Geheimnisse. Nur Vertrauen. Und Freundschaft.« Sie konnte nicht weitersprechen, weil sie an Jay denken musste.
Rob spürte, was in ihr vorging, denn er nahm sie fest in die Arme. »Ich bin genauso unsicher wie du. Genauso verwirrt, weil ich so viel für dich empfinde. Für mich wird es nicht leichter als für dich, wenn du monatelang auf Reisen bist und ich aus dem National Geographic erfahre, wo du dich gerade herumtreibst. Wir beide lieben unsere Freiheit und sind
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