Im Herzen der Wildnis - Roman
gleißend hell, und das Rauschen in seinen Ohren wurde zum ohrenbetäubenden Donnern. Schemenhaft nahm er wahr, dass Evander aufsprang und zu ihm herüberkam. »Tom?« Er legte ihm die Hand auf die Stirn. »Du bist ganz heiß, du schwitzt, und du zitterst.«
Tom stöhnte heiser, aber die Brust war ihm plötzlich so eng, dass er kein Wort herausbrachte.
»Um Gottes willen! Kannst du mich hören? Tom!«
Er schloss die Augen, weil ihm schwindelig wurde. Das Dröhnen in seinem Kopf wurde immer lauter, und seine Arme und Beine fühlten sich schmerzhaft kalt an.
Er hörte, dass Evander die Tür aufriss und Mr Portman etwas zurief. Dann war er wieder neben ihm. »Tom? Sei ganz ruhig! Ich bring dich nach Hause.« Evander beugte sich über ihn und hob ihn aus dem Rollstuhl. »Leg den Arm um mich. Ja, so ist es gut. Ich trage dich zur Kutsche.«
Evanders Entschlossenheit beruhigte ihn etwas. Wie durch einen Nebel nahm er wahr, dass Evander ihn in den Landauer setzte und sich neben ihn auf den Sitz fallen ließ. »Na los, fahren Sie!«, rief er dem Kutscher zu.
Das Atmen wurde zur Tortur, und sein Herz kämpfte verzweifelt gegen die Schmerzen in seiner Brust an. »Bring mich … Dr McKenzie …«
Er spürte noch, wie er gegen Evanders Schulter kippte und der seinen Arm um ihn legte, dann wurde es dunkel um ihn.
Und es war immer noch dunkel, als er die Augen wieder aufschlug. Verwirrt blickte er sich um. Er lag in einem Bett, aber nicht in seinem eigenen, und er trug ein Nachthemd, das ihm nicht gehörte. Er versuchte sich aufzurichten, fühlte sich aber zu schwach und sank zurück ins Kissen.
»Tom! Bist du wach?« Evander tauchte aus der Dunkelheit auf und setzte sich neben Tom aufs Bett. »Ich habe im Sessel neben deinem Bett gewacht. Na, wie geht’s?«
»Die Schmerzen sind weg. Ich fühle mich … ein bisschen wie betrunken.«
»Das ist das Schmerzmittel, das der Doktor dir gegeben hat.« Evanders Stimme klang zutiefst beunruhigt. »Soll ich das Gaslicht anzünden?«
»Nein, lass nur.«
Ich würde es nicht ertragen, ihm ins Gesicht zu sehen, dachte Tom. Und ich glaube, so ist es auch für ihn leichter. Ich spüre, wie besorgt er um mich ist.
»Willst du dich aufsetzen? Soll ich noch ein Kissen holen?«
»Bleib sitzen, Evander, ich liege bequem. Wo bin ich?«
»Im Krankenhaus. Ich habe dich zu Dr McKenzie gebracht, aber der ist sofort zu uns in die Kutsche gestiegen, um mit uns hierherzufahren. Er war ziemlich erschrocken, als er dich sah.«
»Ist er hier?«
»Er redet gerade mit den Ärzten.«
»Wissen sie schon, was mir fehlt?«
»Nein, noch nicht. Du bist vor einer Stunde mit Röntgenstrahlen durchleuchtet worden, und sie haben irgendetwas entdeckt. Einen schwarzen Schatten neben deinem Herzen. Sie sind sich noch nicht sicher, was es ist. Sie warten noch auf einen Radiologen, der sich mit diesen Apparaten besser auskennt. Die Technik ist ja noch ganz neu …«
Tom atmete tief durch. »Ich denke, wir sollten elektrische Geräte produzieren. Für den medizinischen Bereich …«
Evander lachte, aber es klang nicht fröhlich. »Prima Idee, Tom. Ich werde mit Rob darüber reden.«
Tom spürte, dass sein Herz wieder schneller zu schlagen begann, und er kämpfte gegen einen neuen Panikanfall an. »Ich möchte, dass du Rob telegrafierst.«
Evander drückte seine Hand. »Tom, er hat Valdez heute Morgen verlassen. Selbst wenn jemand es schafft, ihn noch einzuholen und ihm die Nachricht zu überbringen, wird es zwei Wochen dauern, bis er wieder hier ist.«
»Dann ruf Shannon an.«
»Sie ist mit ihrem Bruder segeln gegangen, in den Fjorden von British Columbia. Erinnerst du dich nicht?«
»Ach ja.«
»Du bist ein bisschen verwirrt.«
Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht. »Kannst du bei mir bleiben? Ich will nicht allein sein.«
»Ich setze mich in den Sessel neben deinem Bett. Ich bin da, wenn du mich brauchst. Aber du solltest jetzt ein bisschen schlafen, Tom. Es ist zwei Uhr morgens.«
»Weißt du, ich erinnere mich gerade daran, wie es war, als Rob noch ganz klein war. Wie er ausgelassen lachend auf mich zugerannt ist, um sich in meine Arme zu werfen. Wie seine Augen dann geleuchtet haben.«
Evander legte ihm die Hand auf die Schulter. »Tom …«
»Ich weiß, es ist albern.«
»Es ist überhaupt nicht albern, wenn ein Vater sich nach seinem Sohn sehnt und sich wünscht, er wäre jetzt hier, um ihm beizustehen«, tröstete Evander ihn. »Komm zur Ruhe, Tom! Ich bleibe bei dir.
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