Im Herzen Rein
rufen.«
»Allerdings«, sagte Paula. »Können Sie sich an die Stimme erinnern? Hatte sie etwas Besonderes, irgendwelche Eigenarten?«
»Es war ein Mann. Er hat sich als Arzt ausgegeben.«
»Hat er seinen Namen genannt?«
»Ja, ich habe ihn notiert: Dr. Bernanke. Aber den gab es in der Friedberger Klinik nicht.«
»Hatten Sie die Stimme schon mal gehört?«
»Nein.«
»Sie ist Ihnen auch nicht wieder begegnet? Im Amt oder irgendwo?«
»Nein.«
Sie bedankte sich bei Neuenfeld und legte auf.
Theoretisch könnte ihn der Killer angerufen haben, um Neuenfeld aus dem Dienst zu ziehen.
In Halensee bog sie in die Königsstraße ein, schon ganz in der Nähe von Bachs Haus, als Marius anrief. »Wir haben endlich den Taxifahrer gefunden. Er hat Chris gegen 23.45 Uhr vor ihrer Wohnung abgesetzt.«
»Danke.«
»Was machst du gerade?«
»Ich fahre zu Bach, zu seinem Haus in der Wissmannstraße.«
»Meinst du, er kann dir sagen, wo sie ist?«
»Weiß ich nicht - ich muss etwas tun. Lass dein Handy an.«
Paula parkte direkt vor Bachs Bungalow aus weißem Klinker. Die letzten Rosen im Vorgarten rochen süß und schwer. Sie klingelte, aber alles blieb still. War er nicht da? Sie klingelte und klopfte, aber nichts passierte.
Sie lief um das Haus herum und rief laut seinen Namen. Wieder keine Reaktion. Kurz entschlossen ging sie die Treppe hinunter, die vom Garten ins Souterrain führte, und schlug mit einem Stein die Scheibe der Kellertür ein. Sie durchquerte die Waschküche und lief die Stufen hinauf zur Wohnung. Das konnte natürlich Ärger geben, aber Bach würde schon verstehen, dass sie in großer Sorge war, nachdem Chris so lange verschwunden war. Immerhin bestand auch die Möglichkeit, dass sie vielleicht eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Sie hatte ihn ins Team geholt und vieles mit ihm besprochen.
Von dem Flur gingen mehrere Zimmer ab. Sie rief noch ein paarmal seinen Namen, aber er war nicht zu Hause.
Sie öffnete eine Tür: sein Arbeitszimmer. Dort stand ein großer Holzschreibtisch mit grüner Arbeitsplatte, dahinter ein schwarzer Lederdrehstuhl. Ringsherum waren Regale voller Bücher, Akten und DVDs. Gegenüber der Fensterfront stand eine mobile Pinnwand, bespickt mit Fotos und Zetteln, in der Ecke war ein TV-Set. Sie sah den Anrufbeantworter und drückte auf Wiedergabe. »Hubertus, ich muss dich dringend sprechen. Bist du bei deiner Mutter? Ich versuch’s jetzt auf dem Handy. Ruf bitte sofort zurück, mein Handy ist an.«
Paula war erleichtert, Chris lebte. Jedenfalls zur Zeit dieses Anrufs. Das gab Paula Hoffnung.
Sie wählte zum wiederholten Mal ihre Nummer - ohne Erfolg.
Würde sie noch irgendeinen Hinweis finden? Paula schaute in die anderen Zimmer. Sie waren alle bis unter die Decke mit Büchern vollgestopft, nur eines nicht. Der Raum war merkwürdig anders möbliert als die übrigen Zimmer. In der Ecke stand ein altmodisches Eichenbett mit einem Läufer davor, daneben ein Nachttisch mit Marmorplatte und einem Steinkrug, weiter links eine Kommode und an der Längswand ein hölzerner Kleiderschrank, auch aus Eiche.
Überrascht sah sie sich um. Ein Gästezimmer? Es wirkte museal, so, als hätte hier nie jemand geschlafen. Auf der Kommode stand ein Foto im silbernen Rahmen. Eine Frau im blauen Kleid. Paulas Atem stockte. Auf der Rückseite stand in ausgeblichener Tinte: Waltraud 1970. Bachs Mutter mit etwa dreißig. Das Kleid sah aus wie das der Toten. Es hatte den gleichen Kragen und war vorn durchgeknöpft.
Paula öffnete die Schubladen der Kommode, sie waren leer. Eine war verschlossen, der Schlüssel steckte nicht. Sie sah sich um. Manche Leute versteckten die Schlüssel in einer leeren Vase. Sie machte zwei schnelle Schritte auf den Nachttisch zu, schüttelte den Steinkrug und drehte ihn um. Es fielen zwei Schlüssel heraus. Sie stutzte. Der eine hatte einen so merkwürdigen Bart, der fiel ihr auf. Sie zog ihren neuen Haustür- und Wohnungsschlüssel heraus und legte sie nebeneinander. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Deswegen hatte sie ihren Schlüssel neulich vergebens gesucht. Bach hatte ihn genommen, um ihn nachmachen zu lassen.
Sie probierte den anderen Schlüssel an der Kommodenschublade aus. Dort passte er nicht, doch der Kleiderschrank ließ sich mit ihm öffnen. Sie starrte auf etliche blaue Kleider, wie sie die Toten getragen hatten! Sieben Stück in verschiedenen Größen.
Hastig erfragte sie über die Telefonauskunft die Adresse von
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