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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Pappe, eine Reisetasche aus abgestoßenem Lederimitat und ein Seesack aus Leinen glitten auf ihn zu, Gepäckstücke, die er weit über tausend Jahre nicht mehr gesehen hatte, seit sie von den Gepäckverstauern auf der Argo aus Versehen zum Garten der Hesperiden geschickt worden waren.
    »Ähm, entschuldigen Sie«, sagte er. Dann beugte er sich vor und faßte die Griffe an, die in seinen Händen zu Staub zerfielen. Tausend Jahre lang immer im Kreis herumgeschickt zu werden, ist eine lange Zeit.
    »Was tun Sie da …?« kreischte Jane, als Björn auf die Drehscheibe sprang und die Gepäckstücke mit dem Fuß hinunterstieß. Er geriet ins Taumeln, richtete sich wieder auf und fiel dann rückwärts einem ältlich aussehenden kleinen Mann auf die Zehen, der auf einem noch älter aussehenden Koffer saß.
    »Entschuldigung, alter Freund«, murmelte er.
    »Ist schon in Ordnung, Björn«, entgegnete der ältliche Mann. »Kann schließlich jedem mal passieren.«
    Zu seiner großen Überraschung gelang es Björn, etwas zu erwidern. Es klang wie: »Ggnnk.«
     
    Der General schritt die rasch formierte Reihe auf und ab und inspizierte seine Truppe.
    »Gut«, sagte er. »Was jetzt auf uns zukommt, ist eine Riesensache. Was ist das?«
    »Eine Riesensache, Chef«, antworteten die paar Geisterkrieger, die direkt in seiner Blickrichtung standen. Die übrigen erschauderten. Rückblickend war es gar nicht so schlecht, ein Drachenzahn gewesen zu sein, dachten sie. Ziemlich heiß vielleicht, und hin und wieder hatte es auch reichlich gestunken, und wenn man mal richtig Pech gehabt hatte, wurde man plombiert, aber wenigstens wußte man, wo man hingehörte.
    »Und ihr seid vollkommen furchtlose Geisterkrieger! Was seid ihr?«
    »Ängstlich.«
    »WER HAT DAS GESAGT?«
    Am Ende der Reihe ertönte ein Quieken; dann blitzte ein blaues Licht auf; daraufhin stieg ein Rauchwölkchen in die Luft, und schließlich lag eine leere schwarze Kutte auf dem Boden. Sie war ordentlich zusammengelegt, und auf ihr befanden sich das Koch- und Eßgeschirr sowie die Wasserflasche. In der Armee gehen einem Gewohnheiten in Fleisch und Blut über.
    »Also schön«, sagte der General. »Was seid ihr?«
    »Vollkommen furchtlose Geisterkrieger, Chef«, antwortete die Reihe mit zitternder Stimme wie ein einziger zu Tode erschrockener Geisterkrieger.
    Der General machte eine Pause und ließ den Blick langsam die Reihe hinauf- und hinunterschweifen. »Gut«, sagte er. »Also los!«
     
    »Lange nicht gesehen, Björn«, fuhr der ältliche Mann fort. »Wie geht’s dir überhaupt?«
    »Ja«, murmelte Björn. »Tag auch …«
    Der ältliche Mann runzelte leicht die Stirn, obwohl das nur schwer zu sagen war; sein Gesicht schien hart wie ein Zweikomponentenkleber geworden zu sein, als wäre es in Langeweile mariniert und abgehärtet worden. Er sprach in einem unerbittlichen, ausdruckslosen, einförmigen Ton – wie irgendwessen Vetter, der einem Schnappschüsse aus dem Urlaub zeigt. »Willst du mich nicht deiner Freundin vorstellen?« fragte er.
    Björn mußte schwer schlucken. »Jane, das ist Odysseus. Odysseus, das ist Jane«, stellte er die beiden einander vor. »Odysseus und ich kennen uns schon seit Urzeiten«, fügte er hinzu, wobei er Janes Blick auszuweichen versuchte. »Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit …«
    Jane musterte den Mann ein zweites Mal. Das sackförmige Gewand, das er trug, der schlaffe Lederhut, die Sandalen … »Entschuldigung, aber sind Sie nicht …?«
    Odysseus nickte. »Dann haben Sie also von mir gehört?« fragte er. »Schockierend, was?«
    Jane rief sich rasch einige Erinnerungen ins Gedächtnis zurück; Märchen, ein Film mit Kirk Douglas, irgendwas, das sie in der Schule hatte lesen müssen. Auf jeden Fall war ›schockierend‹ nicht das Wort, das sie selbst gewählt hätte. »Ach ja?« fragte sie ins Blaue hinein.
    »Wenn das noch lange so weitergeht«, leierte Odysseus, »werde ich mich beschweren. So etwas sollte nicht erlaubt sein, wirklich nicht.«
    »Hm.«
    »Ich meine«, fuhr Odysseus fort, wobei er sich mit dem kleinen Finger an der Nase kratzte, »da stand ich nun, der Trojanische Krieg war vorbei, alles war zur Heimfahrt bereit, ich hatte mein Rückflugticket bekommen und so weiter. Nur Penelope – das ist meine Frau, Penelope –, die hatte gesagt: ›Sieh bloß zu, daß du mir was von dem violetten Wollgarn mitbringst, das die da drüben haben.‹ Ist ganz versessen aufs Sticken, meine Frau. Macht nichts als sticken, sticken

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