Im Himmel ist die Hölle los
so.
»In Ordnung«, sagte er. »Jetzt müssen wir das Ding bloß noch auf die richtige Seite drehen.«
Hoch über den Gipfeln der Blauen Berge beendete die Sonne unter Geleitschutz ihr Wendemanöver, ging wieder in den Gleitflug über und bewegte sich in Richtung Osten. Auf der Erde schleuderten alle Dorfbewohner bis auf einen die Hüte in die Luft und jubelten.
»Also, so was!« staunte der alte Ari, der sich als Dorfschmied verdingte. »Dergleichen bekommt man nicht alle Tage zu sehen.«
Die übrigen Dorfbewohner schwiegen eine Weile. Selbst nach ihrer Richtlinie von unkomplizierter Schlichtheit gab der alte Ari von Zeit zu Zeit ganz schön dämliche Bemerkungen von sich. Da er dessen ungeachtet fabelhaft gute Hufeisen anfertigte, machte es jedoch niemandem sonderlich viel aus.
»Das ist etwas, wovon man den Enkelkindern noch erzählen kann. Stimmt’s, Björn?« meinte Gustav, wobei er die rauchgeschwärzte Glasscherbe sinken ließ, durch die er den gesamten Vorgang klugerweise beobachtet hatte. »Bemerkenswert.«
Björn schwieg. Er paßte gerade seiner Axt einen neuen Stiel an, da der alte gebrochen war, als er vor einiger Zeit wieder einmal die Beherrschung verloren hatte. Björn verbrauchte mehr Axtstiele als die übrige Dorfgemeinschaft zusammen.
Während Gustav die einfache Maiskolbenpfeife an der Stiefelsohle ausklopfte und neuen Tabak in den Pfeifenkopf stopfte, fuhr er fort: »Ich werde nie aufhören, mich über die unendliche Vielgestaltigkeit der Vorsehung zu wundern und erst recht nicht über ihre äußerst erstaunliche …«
»Ich bestimmt nicht«, unterbrach ihn Björn. »Wenn du nichts Besseres zu tun hast, als hier rumzustehen und dummes Zeug zu labern, dann solltest du mir mal lieber die Raspel geben. Verflucht widerspenstiges Zeug, dieses Hickoryholz.«
Gustav reichte ihm die Raspel. »Ich meine, ich lebe jetzt siebenundsechzig Jahre und habe noch nie etwas Ähnliches gesehen. In meinem ganzen Leben nicht …«
»Ich schon.«
Gustavs fröhliches, sonnengegerbtes Gesicht verzerrte sich zu einem ungewohnten Ausdruck des Mißfallens. »Ach, wirklich?«
»Und ob. Und zwar öfter, als du warme Mahlzeiten gehabt hast, mein Lieber. Gib mir mal den Keil. Nein, nicht den, den kleinen da.«
»Das ist höchst bemerkenswert, Nachbar Björn«, staunte Gustav mit einer Stimme, die völlig frei von jeglicher Skepsis war. »Ich kann das von mir nicht behaupten, und ich bin viel älter als du.«
Björn stand auf und schlug die Schneide der Axt dreimal auf den Boden, um den Stiel fest hineinzutreiben. Beim dritten Schlag bekam der Stiel einen langen Riß. Björn fluchte, zerbrach den Stiel über dem Knie und griff nach dem Bohrer.
»Du solltest vorsichtiger sein«, ermahnte ihn Gustav. »Auf diese Weise könntest du dir das Knie verletzen.«
Björn lachte höhnisch. »Keine Chance.«
Gustav konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es sich hierbei wieder einmal um ein typisches Gespräch mit dem jungen Björn handelte. Merkwürdig, dabei sah er doch eigentlich wie ein recht netter Kerl aus. Vielleicht hatte er ein unglückliches Leben geführt, bevor er ins Dorf gekommen war.
»Hast du wirklich schon mal solche Sachen mit eigenen Augen gesehen?« fragte Gustav und deutete dabei auf die Sonne.
Björn nickte. »Ja, ich habe nämlich mal für die da oben gearbeitet.«
Wie von der Tarantel gestochen, drehte sich Jane mit der Zahnbürste im Mund herum und empörte sich: »Also, hören Sie mal …!«
Der Fremde machte eine entschuldigende Geste. »Tut mir leid«, murmelte er verlegen. »Das war mir gar nicht bewußt. Ich kann ja später wiederkommen, wenn es Ihnen …«
Jane musterte den Mann. Ja, irgend etwas hatte er an sich, woran sie erkannte, daß er ebenfalls zu denen gehörte. Aber was wollte er von ihr?
»Sie sind jemand anders, nicht wahr?« fragte sie. »Ich meine, Sie sind nicht der gleiche wie der, der die letzten Male gekommen ist, habe ich recht? Oder sind Sie derselbe in einem anderen Körper?«
»Nein, ich bin wirklich jemand anders«, bestätigte der Fremde Janes Verdacht. »Ich heiße Perso.«
»Perso?«
Der Fremde zuckte leicht mit den Schultern. »Das ist zwar nicht mein richtiger Name«, erläuterte er, »aber so werde ich schon länger, als ich mich erinnern kann, von allen genannt. Perso ist eine Kurzform von Personalchef.«
»Ach so.« Jane zog sich die Zahnbürste aus dem Mund und legte sie auf die Seifenschale. »Trotzdem wäre es mir lieb, wenn Sie
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