Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
glaube ich dir, ehrlich«, stammelte Gustav. Dann überwand er seine ärgsten Befürchtungen und fuhr fort: »Aber erzähl mir doch bitte, wie es wirklich war. Ich meine, als du ein Engel gewesen bist und so.«
    Es herrschte Schweigen: ein tiefes, bedrückendes und lastendes Schweigen, mit dem man Korn hätte mahlen können. Rot funkelte der Feuerschein in Björns Augen und ließ Gustav in die Kaminecke zurückweichen.
    »Wenn du mich jemals wieder so nennst«, knurrte Björn, »ziehe ich dir die Lunge durch die Nase raus und stopfe sie dir ins Maul, klar?«
    »Tut mir wirklich leid«, piepste Gustav. »Ich hatte nur den Eindruck, daß …«
    »Diese Bezeichnung mögen wir nämlich nicht, kapiert?« unterbrach ihn Björn. »Das klingt doch wie ein Tuntenname. Engel! Wenn man so bezeichnet wird, denkt doch gleich jeder, du wärst stockschwul.« Er hielt inne und stierte wütend ins Feuer. »Dabei denkt man doch gleich an kleine Puppen mit Flügeln und Spitzenkleidchen, die sich einen Weihnachtsbaum unter das Ärmchen geklemmt haben. Jeder, der versucht, mich damit zu vergleichen, kann sich auf was gefaßt machen, verstanden?«
    »Verstanden.«
    »Gut.« Björn nahm einen kräftigen Schluck Bier und rülpste unverschämt. »Meine Kumpels und ich haben uns immer selbst als ›die himmelblauen Jungs‹ bezeichnet. Klingt besser, weißt du, bissiger. Machomäßiger. Und wir haben unsere Zeit auch nicht damit vertrödelt, Harfe zu spielen.«
    »Ganz bestimmt nicht«, pflichtete ihm Gustav mit eifrigem Kopfschütteln bei. »Klingt echt astrein«, fügte er hinzu.
    »Was klingt astrein?«
    »Ach, nur so.«
    Björn genehmigte sich noch einen Schluck Bier und kratzte sich nachdenklich am Ohr. »Daß wir hin und wieder nicht auch mal was zu lachen hatten, will ich damit nicht sagen. Ich meine, wir mußten nicht nur Gebete beantworten oder die Sonne polieren. Ein ganz furchtbarer Job war das«, merkte er beiläufig an. »Wenn man nicht vorsichtig war, hat man sich die ganze Haut von den Knöcheln gescheuert. Der Typ, mit dem ich zusammengearbeitet habe, ist beim Versuch, das Getriebe der Sonne gründlich zu reinigen, mit den Fingern darin steckengeblieben, und keiner hat es gemerkt. Das verdammte Ding wurde wie üblich gestartet, und er ist daran hängengeblieben, eingeklemmt, an den Fingern baumelnd, und hat sich die Lunge aus dem Leib geschrien, aber niemand hat ihn gehört. Das mußt du dir mal vorstellen«, fuhr er nach einem tiefen Schauder fort, der direkt im Nacken begonnen hatte und schließlich durch die Fußsohlen in die Erde gefahren war. »Stell dir das mal vor, mit den Fingern an diesem verdammt großen heißen Ding zu hängen, Kilometer über dem Boden, einen ganzen Tag lang. Und als er versucht hat, eine Entschädigung zu bekommen, weißt du, was man ihm da gesagt hat? Er hätte die Sicherheitsbestimmungen einhalten sollen, hat man ihm gesagt, sei alles seine eigene Dummheit gewesen und geschehe ihm ganz recht. Danach ist er im Kopf ein bißchen seltsam geworden und ist deshalb zu den Erdbeben versetzt worden. Da merkt niemand was davon, wenn man ein bißchen schrullig im Kopf ist.«
    »Ich verstehe«, merkte Gustav an. »Also …«
    »Ständig ist so was bei uns passiert«, fuhr Björn unerbittlich fort, wobei er starr geradeaus ins Feuer blickte. »Solche Vorfälle wurden einfach als Betriebsunfälle bezeichnet, nur waren einige davon keine Unfälle, wenn du mich fragst. Wenn ein erwachsener Mann plötzlich von einer ganz breiten Laufplanke mit Geländer in das Räderwerk der Maschine fällt, die das Gras wachsen läßt, dann kann mir niemand erzählen, daß es sich dabei um einen Unfall oder einen Zufall handelt. In Wirklichkeit hatte er nämlich etwas über den Vorarbeiter und das Kakaogeld herausgefunden, das ist alles. Natürlich wurde die Sache vertuscht und alles auf die Kälte geschoben.«
    Gustav lächelte und versuchte, in den Fugen zwischen den Fliesen zu versinken, aber für ein solches Vorhaben war er einfach zu groß. »Menschenskinder!« staunte er.
    »Einige von diesen Vorarbeitern waren nämlich richtige Schweine«, fuhr Björn fort. »Als ich in der Abteilung für Wunder gearbeitet habe – das ist schon einige Jahre her, denn die Abteilung ist mittlerweile aufgelöst worden –, gab es zum Beispiel einen, der wurde von allen ›Gemeiner Heiner‹ genannt. So ein dicker kleiner Kerl mit einem Gesicht wie eine Straßenkarte. Jedesmal, wenn wir Wasser in Wein verwandeln sollten, war er mit seinen

Weitere Kostenlose Bücher