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Im Himmel ist die Hölle los

Im Himmel ist die Hölle los

Titel: Im Himmel ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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bewahrt die Schicksalsabteilung ihr Geld in einer alten Kakaodose hinter der Uhr in der Maschinenhalle auf. Wenn die Dose leer ist, schleicht sich der Dienstaufseher in den Gesellschaftsklub, während der Barkeeper beim Mittagessen sitzt, und nimmt sich mit Hilfe des Zweitschlüssels, der dem Kapitän der Bowlingmannschaft gehört, das Kleingeld aus der Kasse. Der Barkeeper wiederum verrechnet das fehlende Geld mit Entschädigungen für Bruchschaden. Stimmt’s?«
    Die Schlange streckte Jane blitzschnell die dünne Zunge entgegen und zischte. Jane nickte und fuhr fort.
    »Dem Namen nach ist diese Abteilung außerdem für die Zuteilung von Personal zuständig – unter anderem auch an die Meineidabteilung, deren Hauptaufgabe darin besteht, Meineidige vom Blitz erschlagen zu lassen. Zwar hat die Meineidabteilung eine Belegschaft von siebzig Mitarbeitern und sechs Abteilungsleitern, die alle den vollen Lohn erhalten, aber vom Blitz wird niemand getroffen, weil der Posten des Hauptabteilungsleiters schon seit über dreihundert Jahren unbesetzt ist. Obwohl Meineide unter Sterblichen regelmäßig aufgedeckt und in den Akten der Registratur vermerkt werden, haben diese Zustände letztlich zur Folge, daß auf Meineidige gar keine Blitze mehr losgelassen werden, weil man ohne ein grünes Formular mit der Unterschrift des Hauptabteilungsleiters keinen Blitz aus dem Lager holen darf. Deshalb können die Mitarbeiter nichts weiter tun, als den Meineidigen die Zunge herauszustrecken und ihnen Unverschämtheiten an den Kopf zu werfen; und da das gesamte Personal der Meineidabteilung den Vorschriften gemäß unsichtbar und für die Menschheit nicht wahrnehmbar zu sein hat …«
    Als sich die Schlange um die Armlehne des Sessels wand, war im Raum ein leichtes Rascheln zu vernehmen. »Fahren Sie fort«, forderte sie Jane auf.
    »Ist das denn überhaupt noch notwendig?« fragte Jane. »Aber wenn Sie möchten, tue ich das natürlich. Ich kann Sie darüber aufklären, daß die Gelder aus der Pensionskasse der Mitarbeiter die Pensionäre nie erreichen, aber nicht etwa weil kein Geld da wäre, sondern weil Gary von der Rentenabteilung noch immer auf die Weiterleitung der Anträge aus dem Jahr achtzehnhundertsiebenundneunzig wartet, ohne die er kein malvenfarbenes Formular ausfüllen kann. Darum zahlt jeder wöchentlich fünf Kreuzer im Sonnenwendeverein beim Zeitungshändler gleich beim Erdbebenhaus um die Ecke ein, und das erfüllt ausgezeichnet seinen Zweck. Oder nehmen wir das Büromaterial; soll ich Ihnen erzählen, wie kürzlich der noch nicht verteilte Bestand an Büroklammern unter dem Druck seines eigenen Gewichts durchgebrochen ist und jetzt das Zentrum eines völlig neuen Planetensystems draußen auf der anderen Seite des Orionnebels bildet?« Jane machte eine Pause, um Atem zu schöpfen und weil ihr die Beispiele ausgegangen waren.
    Die Schlange blickte sie mißmutig an. »Aha, ich verstehe«, zischte sie schließlich. »Es gibt also hier und da im Verwaltungssystem so etwas wie kleine Erschütterungen. Na und? Was macht das schon?«
    Jane biß sich auf die Lippe; bildete sie es sich nur ein, oder wollte sie da jemand womöglich auf die Probe stellen? »Erschütterungen?« wiederholte sie. »Aber solche Erschütterungen, wie sie San Francisco neunzehnhundertsechs erlebt hat.«
    Die Schlange hob den Kopf, fragte sich offensichtlich, was sie mit diesem Kopf anstellen sollte, und schlängelte ihn durch den Griff ihrer Aktentasche. »Wir werden uns über ihren Bericht sehr ernsthafte Gedanken machen müssen«, räumte sie schließlich ein. »In der Zwischenzeit halten Sie es wahrscheinlich für angebracht, in eine andere Abteilung versetzt zu werden, nicht wahr?«
    Zorn ist etwas Merkwürdiges, dem ein ziemlich ähnliches Verhaltensmuster wie dem Motorrad des Modells CX550 von Honda zugrunde liegt. Manchmal braucht man nur ganz leicht am Gasgriff zu drehen und kommt erst unter den Händen von Sanitätern wieder zu sich, die einem diverse Überbleibsel einer Dornenhecke aus dem Unterleib pflücken. Dann wieder schaltet man in den vierten Gang hoch und dreht den Gasgriff ganz herum, und das Biest blickt einen bloß von unten aus dem glupschäugigen Armaturenbrett heraus an und verringert die Geschwindigkeit zu einem gemächlichen Bummeln. Das einzige, worauf man sich bei der Maschine verlassen kann, ist ihre Angewohnheit, ohne Sprit genau auf halber Strecke zwischen zwei Tankstellen stehenzubleiben.
    Janes Zorn war, um dieses

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