Im Hyperraum
voll dröhnte. Doch wenn sie gar nichts
unternahm, würde sie durchdrehen.
Eine geraume Weile
saà sie da und wog die Konsequenzen ab. Je länger sie grübelte, umso
schneller schlug ihr Herz, umso stärker wurde ihr Verlangen nach
Erleichterung. Verdammt noch mal, ich muss endlich aktiv werden! Der Pallisp war ihr verwehrt. Es gab nur einen Ausweg aus ihrem Dilemma.
Ich bin der Rigger. Ich weià mir zu helfen. Ich kann es und ich will es!
Sie
schluckte krampfhaft und erhob sich von der Koje. Unschlüssig stand sie
da und versuchte eine Lösung für ihr Problem zu finden, ohne ins Netz
zu steigen. Sie suchte nach irgendetwas, das ihr half, einzuschlafen, oder zumindest die Entzugserscheinungen, den Schmerz und die Gier zu ertragen.
Ihr fiel nichts ein. Das Einzige, woran sie zum Schluss nur noch denken konnte, war die Gier.
Kapitel 9
H IGHWING
S IE STAHL SICH AUF DIE B RÃCKE UND schlüpfte leise in die Rigger-Zelle. Die neuralen Kontakte berührten ihren Nacken. Ihre hochgetunten Sinne sprangen ins Netz.
Sofort
erzeugte ihre Phantasie ein neues Bild; das Schiff verwandelte sich in
einen Ballon mit Gondel, der unter einem nächtlichen Himmel dahinfuhr.
Eine Windströmung trieb sie einen ausgedehnten Gebirgszug entlang. Jael
lieà sich von einer zärtlichen Brise umfächeln.
Nach
einer Weile ging sie mit dem Ballon höher und suchte Seitenwinde, die
sie näher an die Berge heranbrächten. Sie war sich nicht sicher, warum
sie das tat. Wollte sie sich an Mogurn für die miese Behandlung, die er
ihr angedeihen lieÃ, rächen? Oder verhielt sie sich so unbekümmert,
weil sie schon bestraft genug war und nichts mehr fürchtete? Was sollte
ihr noch passieren? Vielleicht nahm sie auch einfach nur das Heft in
die Hand und vertraute auf ihre Intuition, die ihr sagte, dies sei der
richtige Kurs? Sie hatte keine Ahnung. Die Gondel fing an zu pendeln,
als sie einen Sog passierten, der in Gegenrichtung brandete; kurz
darauf schwenkte sie in eine Strömung ein, die den gewünschten Verlauf
nahm.
Sie richtete ihr Augenmerk auf die sich nähernde
Bergkette. Ein in einem weichen Licht schimmernder Vollmond senkte sich
langsam auf die schwarzen, gezackten Gipfel, die wie wütend gebleckte
Zähne den Horizont versperrten. In den Bergen ballten sich stumpfnasige
Kumuluswolken zusammen, schoben sich vor den Mond und bewegten sich auf
den Ballon zu. Das Bild gefiel ihr, die düstere Nacht und die
geisterhaft beleuchteten Wolken, die zäh flieÃenden Gletschern glichen.
Oder den dreisten Scheren eines wütenden Krebses, die sich nach dem
Ballon ausstrecken und ihn zerfetzen konnten â¦
Jählings
löste der Ballon sich auf. Ihre Hände griffen ins Leere. Einen Moment
lang stürzten sie und das Sternenschiff nach unten, derweil sie mit den
Armen ruderte und in alle Richtungen tastete; dann meisterte sie ihre
Panik und baute behutsam ein neues Bild auf. Das Phantomnetz flimmerte
und verwandelte sich in ein Segelflugzeug aus poliertem Holz, das im
Windzug flüsternd in Richtung Boden glitt. Sie hockte rittlings auf dem
Rumpf, zog und zerrte an der Bespannung der Tragflächen, bis diese sich
aufrichteten und den Gleiter in eine waagerechte Fluglage brachten. Gib
Obacht!, ermahnte sie sich. Gefährliche Gedanken vermochten ein Schiff
ebenso zu zerschmettern wie eine physikalische Kraft, und die Trümmer
würden bis in alle Ewigkeit in dieser absonderlichen Realität treiben,
die man als Flux bezeichnete.
Der Wind kühlte ihr
Gesicht, und allmählich beruhigte sich ihr aufgewühltes Gemüt. Sie lieÃ
ihre Gefühle vor sich her am Himmel treiben, wo sie in der Leere
zwischen dem Segler und der Wolkenformation umeinander wirbelten. Da
drauÃen konnten ihre Emotionen ihr nicht schaden. Sollten sie sich
ruhig in der Kälte und dem Nichts zerstreuen.
Die Zeit verging, und sie behielt einen steten Kurs in Richtung der Berge bei.
â
I N EINEM UNGEORDNETEN S CHWARM STÃRMTEN plötzlich Drachen aus den Wolken, wie Seemöwen aus einer Regenfront.
Verdutzt
starrte Jael in die mondhelle Nacht. Drachen! Furcht erregende,
geflügelte Gestalten, die vor einer entfernten Wolkenwand kreisten.
Funkenschauer und rote Flammen irrlichterten um sie herum. Jael mochte
kaum ihren Augen trauen. In Wirklichkeit gab es keine Drachen! Drachen
entstammten Märchen, archetypischen Träumen, waren Ausgeburten von
Xenophobie und
Weitere Kostenlose Bücher