Im Informationszeitalter
philosophische Lager in der Epistemologie oder in der Ontologie, die affektiv und axiomatisch belastet sind, und in jedem Wahrnehmungsakt ist ein eine Prise Präsumtion und Bewertung anwesend. Wie Willard van Orman Quine bewies, ist die Zweiteilung der Urteile in analytische und synthetische genau deshalb nicht durchführbar, weil es auch in der Erfahrung -wenn auch nur ein bisschen - Analytisches gibt. Und es ist nicht wahr, dass nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu. Das bedeutet, dass unser Gehirn im Augenblick der Geburt schon ein wenig zumindest vorprogrammiert ist.
Daher ist es auch zu befürchten, dass es nicht gelingt, einen “einzigen Verstand”, eine einzige künstliche Intelligenz, die von allen erwähnten und nicht erwähnten Beschlägen gereinigt wäre, zu schaffen. Wenn sich nämlich die Vernunftbegabtheit (Sapientia ex machina) letztendlich schlagen lässt, dann werden schon dadurch verschiedene Arten des Verstandes entstehen müssen, wie dies auch bei Autos, Flugzeugen oder Raketen der Fall ist. Vielleicht klingt das banal, aber es ist die Wahrheit. Wenn nur der Verstand “einzig und allein” möglich wäre, dann würden alle ähnlich erzogenen und ausgebildeten Menschen genau dasselbe wissen und an dasselbe glauben. Und wie uns wohl bekannt ist, war es niemals so und ist es nicht so.
Geschrieben im September 1996
Die Vormundschaft der Computer
Stanislaw Lem 19.10.2000
Die ersten Schritte in den Ausbau einer “Ethikosphäre” wurden bereits gemacht
Bevor ich mit der Materie beginne, der ich diesen Essay widmen möchte, will ich rückblickend darauf hinweisen, dass es mir manchmal gelungen ist, auch in den Werken der “fantastischen” Science-Fiction, zukünftige Erfindungen und Entdeckungen oder deren künftigen Einfluss auf die irdische Zivilisation vorauszusehen, aber ich habe mich, wie ich am Beispiel der “Ethikosphäre” zeigen werde, auch manchmal geirrt und wie ein Schütze zwar getroffen, jedoch nicht genau ins Schwarze, sondern knapp daneben. Die als Erzählungen und Fabeln dargestellten Phantasmagorien sollten normalerweise keine literarischen Prophezeiungen sein. Ich habe mich nicht um die Enthüllung irgendeiner “wahren” Zukunft bemüht, sondern lediglich versucht, mir vorzustellen, was die Zivilisation, die ein höheres Entwicklungsniveau erreicht, machen kann, damit sie nicht erstarrt und sich selbst vernichtet.
Was auch immer ich mir ausdenken konnte, es war das Ergebnis einer Suche nach möglichen Lösungen im technischen Feld, wobei es für mich sehr wichtig war, dass ich deren Machbarkeit selbst nachvollziehen konnte. Sogar wenn sie momentan als eine märchenhafte Überwindung der die Gesellschaft bedrohenden Konflikte erscheinen sollten, die man mit traditionellen Methoden genauso besiegen kann, wie die Polizei zusammenmit dem Militär einen Vulkanausbruch oder ein Erdbeben anhalten und unschädlich machen kann.
Ein Teil der großen globalen Gefahren wird bekanntlich aktiv durch die technologische Zivilisation verursacht. So erwärmen beispielsweise chemische Abgase das Klima, was zum Abschmelzen der Gletscher und zu gefährlichen Veränderungen großer Bereiche der Atmosphäre führt. Es ist auch bekannt, dass es Pläne gegen die schädlichen Technologien gibt, die durch “Rettungstechnologien” bekämpft werden sollen. Da jedoch die Kosten der letzteren die Eigentümer der ersteren belasten würden, hat es niemand besonders eilig, solche rettenden Stabilisierungsmaßnahmen umzusetzen.
Ich habe nicht bedacht, dass große Taten auch große Kosten nach sich ziehen, sondern diesen offensichtlichen Zusammenhang zwischen Investitionen in Innovationen und Kapitalinvestitionen fälschlicherweise unterschätzt. Ich habe nämlich angenommen, dass die Menschheit solchen Vorgängen, die ihre Existenz bedrohen, nicht gleichgültig gegenüber stehen würde. Da jemand, der Hunger hat und eine mit Äpfeln gebratene Ente verspeist, dabei weder Gabel noch Messer schluckt, dachte ich, das Gleiche würde auch für den größten globalen Maßstab gelten. Wenn jedoch mein Entenverzehr indirekt damit verbunden ist, dass mein Nachbar Messer schlucken muss oder - weniger metaphorisch - dass einem Vielfrass das Wissen über die Qual der Gänse bei der Aufzucht den Appetit auf die durch eine schmerzliche Mast verfettete Gänseleber nicht verdirbt, dann kann die Angelegenheit unangenehm kompliziert werden. Die Regel: “Was du nicht willst, dass man dir tut, das
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