Im Keller
zu haben, dass ihr Mann die Tür abgeschlossen hatte. Ihre Stimme bekam eine durchdringende Qualität. „Was soll das?! Jetzt mach schon auf! Paul! Mach die Tür auf!“
Kurz darauf rief sie die Treppe herunter: „Herr Kommissar, kommen Sie bitte mal!“
Arthur kam der Aufforderung nach und stieg, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe mit dem gedrechselten Holzgeländer und dem orientalisch gemusterten Läufer hinauf. Oben an der Schlafzimmertür empfing ihn eine aufgeregte Frau Linden. „Sie müssen was tun! Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl! Paul war vorhin schon so komisch, und er hat sich noch nie eingeschlossen!“ Panik in der Stimme.
Ihr Blick klebte auf Arthurs Gesicht, als suche sie nach Antworten. Und er hatte tatsächlich eine Idee. Wenn auch eine schreckliche.
„Ist Ihr Sohn auch hier oben?“ , fragte er.
„Roland?“ Ihre Augen wurden größer, sie schob die Ärmel ihrer lila Bluse hoch und hastete an Arthur vorbei auf eine andere Tür zu.
„Roland? Bist du hier?“ Die Tür ließ sich öffnen, aber das Zimmer schien leer zu sein, denn die Frau guckte in Windeseile in die beiden anderen Zimmer, die vom Flur abgingen, und stand 10 Sekunden später wieder neben Arthur vor der verschlossenen Schlafzimmertür. Die Linden atmete jetzt durch den offenen Mund, ihr Gesicht war weiß, im Blick pures Entsetzen.
„Bitte, brechen Sie die Tür auf! Da ist was Schlimmes passiert! Bitte, nun machen Sie doch schon!“
Eine Tür mit Gewalt aufbrechen, war nicht so leicht, wie es im Film gern aussah. Da Arthur keine Lust auf eine verdammt schmerzhafte, ausgerenkte Schulter hatte, trat er kraftvoll in Höhe des Schlosses gegen die Tür, und auch das musste er mehrmals wiederholen, bis das Holz endlich nachgab. Es knackte und knirschte, und beim nächsten Tritt brach das Schloss aus, und die Tür flog auf.
Frau Linden stürmte noch vor Arthur ins Zimmer und verdeckte ihm die Sicht.
„Um Gotteswillen, Paul ... Roland!“ Sie eilte nach rechts, um das breite Doppelbett herum, auf dem zwei fast gleich große und gleich magere Gestalten auf der Seite lagen, einander zugewandt: Vater und Sohn, wobei Vater Linden seinen Roland mit den Armen umschlungen hielt. Beide wirkten auf den ersten Blick mindestens bewusstlos.
Die Frau war vermutlich auch nicht mehr ansprechbar. Sie hatte nur noch Augen und Ohren für die beiden reglos da liegenden Gestalten auf dem Bett. Abwechselnd rüttelte sie an ihnen herum und flehte mehrmals mit immer höher werdender Stimme: „Paul! R oland! Nun sagt doch was!“
Arthur warf einen Blick durch den Raum - auf dem Nachttisch neben Lindens Bett lag ein kleines Glasfläschchen. Was mochten er und sein Sohn geschluckt haben? Arthur hockte sich vor den Nachttisch, um zu lesen, was auf dem Etikett des Fläschchens stand, und zückte gleichzeitig sein Handy, um den Notarzt zu rufen. Die Zentrale meldete sich.
„Schickt mal ganz schnell einen Wagen in den Jesuitenweg!“, bat Arthur. „Hier hat ein Vater sich und seinen Sohn umzubringen versucht, mit - irgendwas, das ich nicht kenne.“ Er las den Namen des Medikaments vor. „Kann ich den beiden noch irgendwie helfen?“
*
Kurz nach acht Uhr erhielt Claudia den nächsten Anruf von Arthur. Die Kinder hatten sich gerade in ihre Zimmer verzogen, und eigentlich hätte sie sich jetzt gerne gemütlich und entspannt vor den Fernseher gesetzt, aber der Mann hatte anscheinend Sehnsucht nach ihr.
Er berichtete, irgendwie erschöpft klingend, von Lindens Selbstmordversuch, und Claudia fragte aus lauter Mitgefühl: „Willst du vorbeikommen und dich ein bisschen verwöhnen la ssen? Allerdings sind die Kinder hier.“
„Klar, weiß ich. Aber nach dem, was ich heute alles gesehen habe, hätte ich sowieso keine Lust auf Sex.“
Claudia glaubte ihm kein Wort. „Ok, dann komm vorbei und trink ein Gläschen Wein mit mir.“
„Mache ich. Bis gleich.“
Claudia deckte schnell den Esstisch ab, entfernte die schlimmsten Spuren des Wohnens im Wohnzimmer (Socken auf der Couchlehne, Zahnseide auf der Zeitung, Nagelfeile neben der Pralinenschachtel) und wollte noch in Windeseile die Küche in Ordnung bringen, als sie vom Klingeln des Telefons gebremst wurde. Wieder war es Arthur.
„Ich kann leider doch nicht kommen, ich muss einen Kollegen vertreten, seine Frau ist plöt zlich krank geworden.
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