Im Kettenhemd (German Edition)
war es vollbracht. Das Kettenglied hatte so weit nachgegeben, dass Karl den Rest aufbiegen konnte. Ihm ging es inzwischen bedeutend besser. Seine Schwellungen im Gesicht waren schon gut zurückgegangen und die Rippen schmerzten kaum noch beim Atmen. Einige der Mitgefangenen staunten nicht schlecht, als sie Karl in der Mitte des Kerkerraumes erblickten. Einer der Franzosen fragte ihn im Scherz: »La chaîne est rouillée?«, ob denn die Kette durchgerostet sei.
Wie vermutet, löste Karls neue Freiheit Neid unter den noch angeketteten Männern aus. Dietrich ging zu ihnen und sagte: »Wenn jemand etwas verrät, war dies sein letzter Sonnenaufgang.«
Um den leidgeprüften Männern dazu aber keinen Vorwand zu bieten, gab Dietrich die Gurtschließe an sie weiter. Nun waren sie beschäftigt und würden im eigenen Interesse nichts verraten.
Jetzt war es an der Zeit, einen Blick durchs Kerkerfenster in die Freiheit zu werfen. Karl stellte sich als Podest zur Verfügung und Dietrich, seit mehr als zehn Tagen in diesem Loch, konnte, die Menschen draußen in der Burganlage umhergehen sehen. Waren es auch nur Feinde, so war deren Treiben doch eine willkommene Abwechslung von der Langeweile in so einem Kerker. Nach kurzer Zeit hatten sich seine Augen wieder an das Tageslicht gewöhnt und er erkannte nun auch alle Einzelheiten.
Da waren Körbe mit Gemüse, die man soeben von Eselskarren abgeladen hatte. Andere hatten Steine für Bauarbeiten oder die Katapulte geladen. ›Genau das wollten wir mit unserer leider gescheiterten Mission verhindern‹, dachte Dietrich. Bewaffnete schlenderten zwischen all dem hindurch und hielten nach Ungewöhnlichem Ausschau. Sicher erweckten auch einige Bauernmädchen ihre Neugier, denn einige Male klatschen sie denen auf ihre Hintern. Links von der Hauptmauer hatte ein Schleifer seinen Wetzstein aufgestellt. Die Kriegsknechte umlagerten ihn und es wurde lautstark lamentiert.
Ein Mann fiel Dietrich auf. Er trug ein graues Lederwams und einen Hut, wie ihn auch die Sturmtruppen aus Navarra zu tragen pflegten. Als er sich diesen Kerl noch genauer ansehen wollte, machte sich Karl bemerkbar. Dietrich hatte völlig vergessen, wo er stand, und sprang sogleich von dessen Rücken.
»Tapfer mein Guter, aber wir sollten deine Rippen nicht zu sehr strapazieren.«
Karl blickte ihm gespannt in die Augen, wollte er doch wissen, was sich da so tat. Nur zu gern hätte er selbst einen Blick riskiert, jedoch war es Dietrich nicht möglich, ihm in derselben Weise zum Fenster hinauf zu helfen. Es könnte gut sein, dass die Mitgefangenen dies als eine Unterwürfigkeit ansehen und ihm dann den Respekt verweigern würden. So musste sich Karl vorerst mit Dietrichs Schilderungen begnügen. Der erzählte ihm auch von dem Mann mit dem spanischen Hut, der ihm irgendwie bekannt vorkam.
Bevor die Schergen mit dem Essen kamen, hängten Dietrich und Karl die Kette wieder ein und verschmierten die offene Stelle mit Dreck. Es sollte kein Aufsehen erweckt werden, denn nur so konnten sie an einem Plan für ihre Flucht arbeiten.
11. Kapitel
Verrat
Junker Jörg lief einige Schritte, indem er sich auf Cedric stützte. »Heute geht es schon viel besser, Herr Junker«, staunte der Junge.
In den vergangenen Tagen hatte Jörg noch mit Fieber gekämpft, das er trotz der Schwedenkräuter bekommen hatte. Die rostige Pfeilspitze war einfach zu lange in der Wunde, bevor sie der Chirurgicus hatte entfernen können. Jörg hatte vier Tage festgelegen und auch fantasiert. Während dieser Zeit war Cedric ständig in seiner Nähe und versorgte ihn, so gut es eben ging, mit allem Nötigen.
Am Vortag hatte Guy de Chauliac, der Wundarzt, noch einmal nach ihm geschaut.
»Jetzt, wo es Euch schon viel besser geht, sollten Monsieur versuchen etwas zu laufen«, trug er dem Patienten auf.
»In ein paar Tagen sitze ich wieder im Sattel, die sollen ja nicht ohne mich diesen Steinhaufen von einer Burg stürmen«, antwortete der Junker.
»Schade, dass Ihr vorgestern das Feuerwerk verpasst habt. Die neuen Feuerbrände für die Katapulte wurden ausprobiert. Da möchte ich nicht in der Nähe sein, wenn diese Dinger einschlagen«, erzählte Cedric voller Bewunderung.
»So, da konnten die nicht mal warten, bis ich ausgeschlafen habe. Wenn es ist, wie du sagst, dann werden wir denen den Hintern rösten und sie dann wieder nach England jagen. Vorher jedoch holen wir uns noch das geraubte Gold zurück. Dem Zeug soll ja Feuer nicht viel ausmachen.«
Als er das sagte, war
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