Im Kettenhemd (German Edition)
Chancen.« Der nächste Versuch, nun mittlerweile mit dreizehn Mann, brachte ihnen den Erfolg. Die Kette wurde mit einem Ruck gespannt und alle legten sich voll ins Zeug. Der Fels krachte aus seinem Mauerverbund, und alle fanden sich am Boden wieder.
Auch der Schwächste unter ihnen war stolz auf seine eigene Leistung, und das Gefühl gemeinsam stark zu sein, beflügelte alle im Geiste.
»Schaut, ob sich draußen etwas tut!«, rief Dietrich den verbliebenen Gefangenen an der Tür zu. »All quiet – alles ruhig«, kam als Antwort zurück.
Nun waren eigentlich alle in das folgende Geschehen einbezogen und die Gefahr eines Verrats weitestgehend gebannt. Den Felsen zogen sie nun gleich an seinen Platz und die Kette wurde auf Länge an dem Deckeneisen befestigt. Nun hing der Brocken über dem Boden und pendelte so, wie es Dietrich erdacht hatte.
Immer wieder schlugen Feuerbrände in der Burgstadt ein und mittlerweile war alles, was einen Löschbottich halten konnte, auf den Beinen. Die Leute waren fast am Ende ihrer Kräfte und so mancher war bereits an Erschöpfung zusammengebrochen. Überall lagen tote, verwundete und bewusstlose Menschen. Die Feuer hatten ehemals schöne, mit wilden Rosen bewachsene Sandsteinmauern in rußgeschwärzte, hässliche Ecken verwandelt. Viele Kriegsknechte waren dem Beschuss bereits zum Opfer gefallen. Man hatte sie eilig zusammengetragen und an der Kerkermauer abgelegt.
Gegen den von Armaldus de Vilkania erdachten »Feuerzauber« konnte ihr bester Schwertführer nichts ausrichten.
Die Gefangenen im Kerkerhaus des Chateaus waren nun schon über einen ganzen Tag ohne Essen und Wasser. Ihre Situation wurde mit jeder Stunde schlechter und die Schwächsten unter ihnen saßen bereits apathisch am Boden.
Dietrich schaute auf die Männer, die in ihren Lumpen eher an die Bettler vor den Toren von Paris erinnerten als an eine zu allem entschlossene Truppe. Er selbst schaute an sich herunter und sah nichts, was an den stolzen und sieggewohnten Mann erinnerte, der er noch vor Wochen gewesen war. Im Geiste ungebrochen, aber im Fleische schwach, musste auch er sich an dieser Stelle eingestehen.
»Es ist an der Zeit, alles zu wagen, ehe uns die Kräfte verlassen«, rief er seinen Mitgefangenen zu und versuchte dabei stark und unerschrocken zu wirken. Keiner sagte etwas, aber alle fühlten eine innere Verbundenheit.
Sieki war der Erste, der das Pendel prüfte und für gut befand. »All ready?«, rief er in die Runde. Stilles Einverständnis. Ein »Fang an!« kam von Dietrich.
Mit zwei Mann holten sie Schwung und stießen das Gewicht von sich ab. Der Stein traf die Tür gleich knapp unter der kleinen Gitterluke. Die Eichentür erbebte bis in die Angeln, hielt aber stand.
Ein zweiter Versuch, diesmal mit noch mehr Schwung, schlug hart auf und verursachte einen Riss.
»Mal ruhig jetzt«, zischte einer der Männer, der glaubte, draußen etwas gehört zu haben. Alle waren bis aufs Äußerste gespannt und sofort mucksmäuschenstill.
»Wenn die Wachen hereinkommen, müssen wir schnell sein«, sagte Dietrich zu Karl.
»Klar doch, so schnell wie nie zuvor«, flüsterte Karl.
Alles blieb aber ruhig und so entschlossen sie sich zum Weitermachen. Es waren noch einige Schläge mit dem schweren Stein vonnöten. Die beiden Seeleute hatten den Bogen schnell raus, und schließlich brach die schwere Tür in der Mitte durch. Das Eichenholz war seiner Maserung gefolgt und barst auf der ganzen Länge. Alle schauten sich an, denn nun gab es kein Zurück mehr.
Schnell war die Tür durchbrochen, und Dietrich schaute als Erster in den Gang, der von den Zellen gesäumt wurde. Die Männer wussten, dass es jetzt nur noch einen Weg gab, den Weg in die Freiheit. Der lange Gang wurde durch wenige Fackeln schwach beleuchtet und bot ein gespenstisches Bild. Es herrschte Stille und nur einige Laute von außen waren innerhalb der dicken Mauern leise hörbar. Vom Kerkermeister oder den Wachen war weit und breit nichts zu sehen, und so schlichen sie mit möglichst geräuschlosen Schritten den Gang entlang. Einige graue Gestalten schauten wortlos durch die kleinen Gitterfenster der anderen Zellen auf sie.
Als sie das Ende erreichten, hob Dietrich die Hand und flüsterte: »Hier geht’s die Treppe hinauf.« Sie schlichen geduckt und ständig auf der Hut die steile Treppe bis zu einem kleinen Absatz hinauf. Hier stand ein quadratischer Tisch, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Eine Weinkanne stand am Boden, die Sieki, dem Seemann,
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