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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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Karre herum. Diesmal greift David nicht ein.
    »Bei Kindern weiß man nie, woran man ist«, meint er. »Jeanetta brüllt wie am Spieß, wenn sie das Haus morgens verläßt. Vielleicht stört sie einfach der ständige Wechsel, wer weiß? Sie brüllt. Fertig.«
    Er hat zu dem umgänglichen, leichten Ton zurückgefunden, doch ich spüre seine verhaltene Wut deutlich. »Wie hält es Sebastian bloß in der Innenstadt aus bei dem Wetter«, kommt jetzt. »Ich könnte es nicht. Wo finden denn diese Besprechungen statt? Im Pub?«
    »Keinen blassen Schimmer.« Ich zucke mit den Achseln, ganz die nichtsahnende Ehefrau. David grinst süffisant. »In grauen Vorzeiten, als ich mich selbst noch in der Stadt herumtrieb, ehe es mich aus ihr heraustrieb sozusagen, diente ›Besprechung‹ als Umschreibung für alles mögliche. Wobei spätnachmittägliche oder abendliche ›Besprechungen‹ für die Ehemänner natürlich doppelt inkriminierend waren.
    Aber nicht bei unserem Seb natürlich.«
    Eins zu eins.
    Dann fing Jeremy an zu plärren, wir verabschiedeten uns, beide eingeschnappt. Tja, Essig mit dem geplanten Flirt, aber wenn ich ihn vergrault hatte, dann er mich mindestens genauso. Der Teufel hol ihn, was sollte das mit den »Besprechungen«! Hatte ich ihn nicht mit dieser Monica Sowieso die Straße entlangschlendern sehen, dieser Freundin der Allendales, die mir bei ihrer letzten Party vorgestellt 122
    wurde? Besprechungen waren kein Vorwand – meine jedenfalls nicht. Ich kam mir vor, als hätte man mir eins auf die Finger gegeben, und prompt ballten sich die Finger zur Faust – wie immer bei einer Rüge. Hatte ich da etwas übersehen bei Sebastian? Wollte David mir einen Wink geben?
    Zurück ins Haus, um nach der Brut zu sehen. Viertel vor acht, Stille. Nur Mark dämmerte vor seinem Fernseher, vollkommen erledigt, weil er so früh aufgestanden war: Um sechs Uhr putzmunter und am Rumtoben in seinem rückeroberten Schlafanzug. Ich wanderte in den Garten hinaus. Der war aber auch nicht größer geworden, also durchs Haus zurück, die Treppe hinunter und auf direktem Weg in den Park.
    Mich zog’s ans Wasser. Aus keinem besonderen Grund – außer einer vagen Erinnerung an einen See, an dessen Ufern Sebastian und ich einst geturtelt hatten. So lange her, daß ich mich nur mit Mühe dessen entsinnen konnte. Das waren die Zeiten, da mein stattlicher Busen unter einem dünnen T-Shirt den Durchschnittsmann zum Stottern brachte. Auch meinen lieben Mann. Außerdem beunruhigte mich irgend etwas entfernt, irgend etwas nicht Greifbares, irgend etwas stimmte überhaupt nicht mit dem Nachbarhaus und unserem, aber das Analysieren war noch nie meine Stärke; ich mache einfach immer weiter.
    Ich liebe diesen Park, und mag er noch so unwirklich sein, dieser kosmopolitische Hyde Park, die üppigen Kensington Gardens. Ich war die halbe Länge der Serpentine entlanggerast, ehe ich mich allein durch das Tempo etwas beruhigt hatte und langsamer ging. An der ersten Brücke hinter den Brunnen streiften die Zweige der Trau-erweiden das Wasser. Zwei alte Männer saßen in der Nähe des Lido
    – wie zwei verhutzelte Gnome sahen sie aus mit ihrer schamlos über den Shorts faltenwerfenden, haselnußbraunen Haut, Folge eines täglichen Erquickungsbads im schlammigen Wasser. Ein Stück weiter kam ich am leblosen Peter Pan vorbei, blankgerieben von tausend Kinderfingern, und sah dort einen weiteren alten Mann, der die Hand wie zum Zeichen hob, während er darauf wartete, daß die Spatzen sich auf seinen Knöchel niederließen und die zwischen Daumen und Zeigefinger offerierten Krumen pickten. Ich blieb gebannt stehen.
    »Sie mögen das«, sagte ich blöde zu dem Alten. »Klar mögen sie’s«, 123
    entrüstete er sich. »Wer mag schon keine Kekse?« Wie einfach ist das Leben doch für manche; ich fühlte mich fehl am Platz. David hatte mich fürchterlich durcheinander gebracht.
    Und doch fand ich alles um mich herum atemberaubend. Ich mußte mich setzen, staunte über die Vielfalt. Ein engelgleicher goldhaariger Bub fütterte ein Eichhörnchen hinter einem Zaun mit Nüssen, ein Bub wie mein Mark, mit dem ich noch nie, noch kein einziges Mal in diesen Park gekommen war. Warum eigentlich nicht? Dann, als Kontrast, fiel mir eine verknöcherte alte Schachtel auf, so alt, daß es ein Wunder schien, daß sie noch lebte. Sie saß auf einer Bank am Wasser, hatte die Strümpfe bis unter die geschwollenen, blau verfärbten Knöchel heruntergerollt, ein grauer Riemen

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