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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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der Tür, vielmehr an die drei Bretter, die sie notdürftig aneinander gehämmert hatten und die sie in Ermangelung eines ordentlichen Schlosses mit Stricken an der Baracke festmachten. Breit waren die Ritzen, durch die stets ungehindert die feuchte Luft des Regenwalds waberte.
    Mit einem Knirschen flog der Bretterverschlag nun auf, ehe Annelie ein einladendes »Herein!« rufen konnte.
    Es war Christine, die erschien, ihre Hände bis zum Ellbogen krebsrot. Wahrscheinlich war sie eben damit beschäftigt gewesen, Wäsche zu waschen. »Sag, Annelie«, setzte sie grußlos an. »Hast du diesen Schrei auch gehört, der …«
    Als sie Jule bemerkte, hielt sie mitten im Satz inne. Christine redete mit Annelie und Annelie redete mit Jule. Aber Jule und Christine wechselten so gut wie nie Wort miteinander. Während alle anderen sich darum bemühten, sich mit Christine gut zu stellen – nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie drei kräftige Söhne hatte, die zupacken konnten –, hatte Jule nie versucht, um sie zu buhlen oder sie von der Meinung abzubringen, sie sei ein liederliches Weib, mit dem man am besten nichts zu tun hat.
    Christine presste die Lippen zusammen und machte Anstalten, sofort wieder umzudrehen. Doch Annelie legte rasch die Nalca-Blätter nieder und trat zu ihr.
    »Nein, Christine, nein, einen Schrei habe ich nicht gehört. Du etwa, Jule?«
    Sie bezog die andere ganz selbstverständlich ein, doch Jule antwortete nicht.
    »Meine Güte!«, seufzte Annelie, als sie sah, wie Christines Lippen immer schmaler wurden. »Wollt ihr nicht endlich Frieden schließen? Wir sind hier in der Fremde, wir müssen zusammenhalten!«
    »Pah!« Christines Stimme troff vor Verachtung. »Die Frau ist ihrem Mann davongelaufen, mit so einer rede ich nicht.«
    »An seiner Seite wäre ich gestorben«, bemerkte Jule kühl.
    »Woran denn?«
    »Na, an Langeweile.«
    Erstmals seit Wochen tauschten sie Worte miteinander aus, aber deren Inhalt war wenig verheißungsvoll.
    »Solche Ansprüche stellt man nicht«, murrte Christine prompt. »Hab ich’s mit meinem Jakob immer lustig? Als ich ein junges Mädel war, wär’ ich lieber Stickerin geworden, anstatt ein halbes Dutzend Kinder zu gebären. Hab gute Augen gehabt, und meine Hände waren noch nicht rauh wie heute. Aber so ist’s im Leben: Man sucht sich nicht aus, wohin man gestellt wird – aber man macht dort, wo es einen hinbefiehlt, das Beste draus.«
    Annelie sah, dass Jule sich zu einer Entgegnung rüstete, und ganz gleich was ihr zu ihrer Verteidigung einfallen würde – in Christines Ohren würde es wohl wie eine Beleidigung klingen.
    »Stell dir vor, Christine«, sagte sie deshalb schnell. »Ich versuche gerade, aus den Samen der Araukarien Mehl zu machen. Dann kann ich vielleicht einen Kuchen backen. Die Nalca-Blätter schmecken wie Rhabarber, und …«
    »Eine wahrhaft großartige Idee – aus Zapfen und Blätter Kuchen zu backen!«, warf Jule ein.
    Christine war anzusehen, dass sie nicht minder daran zweifelte, aber sie wollte es nicht eingestehen, dass sie ausnahmsweise einer Meinung mit der Feindin war. »Na, wenigstens scheinst du dich hier nicht zu langweilen«, höhnte sie in Jules Richtung.
    Noch redend machte sie kehrt, um die Hütte wieder zu verlassen.
    Doch in diesem Augenblick ertönte erneut ein Schrei, schrill und laut und diesmal für jedermann hörbar.
    Annelie zuckte zusammen; selbst Richard, der das Geplänkel der Frauen ausdruckslos über sich hatte ergehen lassen, hob fragend den Kopf.
    Noch ehe Christine die Tür öffnen konnte, stürzte Poldi herein. Sein Gesicht war blass, seine Augen vor Angst geweitet.
    »Mutter …«, stammelte er unter Tränen, »Mutter … es ist etwas passiert … mit Vater.«
    Annelie sah, wie Christine wankte, und stürzte zu ihr, um ihr Halt zu geben. Sie hatte den Mund geöffnet, um den Sohn etwas zu fragen, aber sie brachte kein Wort heraus. Ihre Hände verkrampften sich ineinander.
    »Was … was ist geschehen?«, fragte Annelie an ihrer statt.
    Eine verwirrende Rede folgte; die Worte, die aus Poldis Mund kamen, schienen nicht zusammenzupassen. Von einem Puma war die Rede, von Konrad, der ihn jagen wollte, und plötzlich von einem Baum, der Jakob erschlagen hätte. Annelie verstand nichts davon, aber aus Christines Kehle löste sich ein Schrei. »Ist er tot?«
    Poldi schluchzte auf. »Er atmet noch, aber nur ganz flach. Und er rührt sich nicht.«

    Elisa wischte ihm die Stirn ab – das Einzige, was sie

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