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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Mannes, dessen Begabung noch von sich hören machen wird.«
    Christoph erhaschte einen Blick auf das Bild, ehe Felix es verlegen zurückzog. Es war eine Kohlezeichnung in seltsam fliehenden Strichen, ein gefiederter Menschenkörper, der sich aus dem Maul einer Schlange schälte. Micaela von Schweinitz hielt ihm ihr Glas hin, in dem dunkler Port funkelte. »Nehmen Sie. Unser Quetzalcoatl schlägt jedem auf den Magen, dabei ist er im Grunde nur traurig darüber, was wir aus seinem Wind, seiner Erde und seinem Himmel gemacht haben. Für mich gleicht er Prometheus. Ich glaube, er hat uns Menschen ebenso geliebt – wie jener das Feuer, so hat er uns den Tanz geschenkt. Aber daran, die Büchse der Pandora zu öffnen, konnten uns beide nicht hindern.«
    Dankbar griff Christoph nach dem Glas und trank. Dass die indianische Baronin sich in griechischer Mythologie auskannte, verblüffte ihn dermaßen, dass ihm keine Entgegnung einfiel.
    »Zeichnet Felix nicht göttlich?«, rief Kathi. »Onkel Christoph, du musst Onkel Fiete überreden, dass er ihn Stunden nehmen lässt.«
    Du musst, Christoph. Du musst, du musst, du musst.
    »Du weißt, es ist derzeit schwierig mit Geld«, stammelte er.
    »Wenn ich es mir erlauben darf«, mischte sich Micaela von Schweinitz ein, »Claudius und ich würden Felix gern mit in die Hauptstadt nehmen. Wir würden ihn von einem befreundeten Maler unterrichten lassen, es würde Ihre Familie keinen Centavo kosten.«
    Christophs Blick fiel auf Felix. Er war sicher, nie zuvor so viel Glück auf einem Kindergesicht gesehen zu haben.
    »Katharina!« Marthes Stimme schnitt alle Gedanken ab. »Hat dir dein Onkel nicht gesagt, dass ich dich sprechen will?«
    Mit ihrer robusten Kraft riss sie Kathi am Arm, doch auch sie war gealtert, litt Hunger und war müde. Leichthändig schüttelte das Mädchen sie ab. »Was ist denn los, Mutter? Kann es nicht warten?«
    »Ich bin los.« Micaela von Schweinitz legte ihr die Hand auf den Arm. »Gehen Sie nur mit Ihrer Mutter, Fräulein Kathi. Es war nett, Sie kennenzulernen.«
    Irgendwie überstanden sie die letzte Stunde. Gesprächsfetzen, die Christoph aufschnappte, drehten sich um den Krieg, von dem die Mehrheit annahm, er sei noch nicht vorbei, auch wenn Mexiko nach der Niederlage von Cerro Gordo keine nennenswerte Armee mehr besaß. Santa Anna war entschlossen, bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Er hatte den gemäßigten Farias aus dem Amt gedrängt und eine Strohpuppe namens Anaya eingesetzt. Der Krieg mochte länger dauern, als die Handvoll Menschen in der Siedlung durchhalten konnte.
    Auf dem Heimweg ging ihm im Kopf herum, worum er sich hätte kümmern müssen – um Hilfe für Traude, um die Zukunft von Felix, um Entlastung für Marthe und vor allem um Kathi. Es war zu viel, um anzufangen. Und es war schlimmer, als er befürchtet hatte.
    Traude war die Einzige, die durch Stefans Verdienst noch ein geregeltes Einkommen hatte, aber es stellte sich heraus, dass die Raten, die sie für ihre Schulden zahlte, diesen Betrag überstiegen. Wie hatte sie einen solchen Berg von Schulden angehäuft? »Ich wollte, dass es meinen Kindern an nichts mangelt«, war alles, was sie dazu sagte. »Ist, dass ihnen der Vater fehlt, nicht genug?«
    Hatte Christoph gehofft, Helene würde ihrer Mutter unter die Arme greifen, so hatte er sich getäuscht. Wie es aussah, wurde das junge Paar von den Eycks kurzgehalten, und Traude beteuerte, ihre Tochter könne ihr vorläufig nichts geben. »Nach dem Krieg wird ihr Schwiegervater für unsere Entschädigung sorgen«, beharrte sie.
    Aber der Krieg tobte weiter. Den ganzen Sommer über, während orkanartiger Regen auf die Stadt niederging, dauerten die Kämpfe an, und von Konsul Eyck kam kein Geld. Peter musste feststellen, dass Traudes Haus verpfändet war und er von Glück sagen konnte, wenn es sich ohne Verlust veräußern ließ. Stefan und Traude zogen mit ihrer kümmerlichen Habe zu Fiete, und in das hohe, schmalbrüstige Haus, das Sievert Hartmann bei seiner Ankunft von einem Landsmann erworben hatte, zog eine kreolische Familie.
    Was Felix betraf, ließ Fiete nicht mit sich reden. »Ich habe drei Kinder verloren, auf meinem Felix ruht jetzt meine Hoffnung«, sagte er. »Wenn unsere Entschädigung kommt, schicke ich ihn auf die Universität, und mit der kindischen Kleckserei ist Schluss.«
    Hermann erwähnte er nicht. Steckte dieser deshalb so voll Zorn, weil er die Beachtung seines Vaters nie erringen konnte? Fiete mochte das strenge

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