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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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die Nähe ihrer Tochter gewagt hatte. Es tat ihr weh, Benito Schmerz zuzufügen, aber sie hatte keine Wahl. Das, was er vorhatte, durfte sie ihm nicht erlauben. Ich pflege dich gesund, mein Liebster. Du wirst dich fühlen wie im vanilleduftenden Omeyocan, wenn ich jede deiner Wunden küsse. Du wirst mich lieben lernen und die Deutsche hassen.
    Sie war kein dummes Mädchen, nicht dumm und verschlagen wie Juan, sondern klug genug, um sich aus dieser Falle zu befreien. Sie wusste, sie musste mit Bedacht vorgehen. Benito hatte recht. Wenn sie mir nichts, dir nichts ins Haus der Deutschen spazierte, würde man sie hinauswerfen. Natürlich konnte sie versuchen mit dem Sekretär der Engländer zu sprechen, doch erschien der ihr mit Benito zu vertraut. Besser, sie ließ sich Zeit, um die Deutschen zu beobachten. Benito hatte ihr zwar wegen der Soldaten verboten, allein in die Stadt zu gehen, aber Inez fürchtete sich nicht. Sie würde Benito erzählen, Juan gehe mit ihr.
    Juan würde sie decken, er war ein Idiot und Wachs in ihrer Hand. Im Mai hatte er wieder eins der Päckchen bekommen. Er hatte behauptet, er werde es an den Besatzern vorbei aus der Stadt schmuggeln, müsse für die Gefahr jedoch gebührlich entlohnt werden. Seiner Auftraggeberin war das Geld ausgegangen. Sie hatte nicht mehr als die vereinbarte Summe bei sich, aber sie zögerte nicht, sich ihren Schmuck herunterzureißen und ihn Juan in den Rachen zu werfen. Der war stolz wie ein Pfau zu Inez gerannt, um ihr seine Schätze vorzuführen.
    Eine Kette mit roten Steinen, eine Brosche und ein Medaillon mit einer zierlichen Inschrift. Inez hatte nie lesen gelernt, aber sie war gewitzt genug zu erkennen, dass die Inschrift in derselben Sprache abgefasst war wie die Papiere in dem Päckchen. »Was ist das?«, hatte sie Juan gefragt.
    Der hatte dümmlich mit den Schultern gezuckt. »Woher soll ich das wissen? Wird wohl Deutsch sein, oder?«
    »Warum Deutsch?«
    »Na, weil die Alte, der’s gehört hat, Deutsche ist.«
    Inez konnte so viel Dummheit nicht fassen. Die Frau war Deutsche, und er hatte ihr kein Wort gesagt. Für ein bisschen Gefälligkeit wollte er ihr die Kette schenken, doch stattdessen verlangte sie das Päckchen. Noch hatte sie höchstens eine Ahnung, was es damit auf sich hatte, aber sie war sicher, es würde ihr eines Tages nützlich sein.
    Zunächst aber brauchte sie einen Verwandten der verfluchten Katharina, einen Wüterich, der auf ihre Nachricht ansprang wie ein Ozelot auf eine Stachelratte und seine Leute zusammenrief, um Benito eine Lektion zu erteilen. Eine, die du nicht nach fünf Jahren wieder vergisst, mein Liebster. Eine, die dich in meine Arme treibt und dort hält.
    Das Glück war auf ihrer Seite. Sie schlich dem blonden Sekretär nach, weil sie sonst keinen Anhaltspunkt hatte, und schon an der nächsten Ecke wurde der von einem weiteren Blonden abgefangen und nach Strich und Faden zusammengestaucht. In Inez’ Augen sahen all diese hellhaarigen Europäer sich ähnlich, aber dieser war wie ein Bulle gebaut, und sein Gesicht lief beim Schreien blutrot an. Inez gönnte sich ein Lächeln. Sie würde ein paar Tage investieren, um ihn zu überprüfen, hegte aber keinen Zweifel daran, dass sie dem Ziel ihrer Wünsche nahe war.
    Keine Woche später wusste sie, dass der bullige Deutsche Hermann Hartmann hieß, ein Vetter der verfluchten Katharina war und sich als Sittenwächter der Familie aufspielte. Der Sekretär mochte sich mit einem Flittchen eingelassen haben, weshalb der Bullige ihm nachspionierte. Nun, er würde bald etwas Pikanteres bekommen, um seine Zähne hineinzuschlagen. Davon abgesehen war jener Hermann nicht mehr als ein kleiner Ganove, der Weiber und Greise beraubte. Meist hatte er zwei halbstarke Burschen im Schlepptau, die sich als seine Handlanger verdingten.
    Inez frohlockte. Der Dia de los Muertos stand bevor, und von ihr wurde erwartet, dass sie daheimhockte und zu Ehren ihres Verlobten eine alberne Mole braute. Zuvor wollte sie ihren Plan in die Tat umsetzen, auf dass sie beim Erwachen nicht mehr das Elend der Welt über sich zusammenstürzen fühlte, sondern die Hoffnung lachen hörte. Es wird mir mehr weh tun als dir, mein Liebster. Ich hätte es dir gern erspart, doch wer nicht hören will, muss fühlen.
    Dass Hermann Hartmann vorgab, ihr nicht zu glauben, dass er sie eine stinkende Indio-Hure nannte, machte ihr nichts aus, denn sie wusste, sie hatte ihre Saat gesät. Ihre Worte hatten begonnen in seinem Kopf ihr

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