Im Land der gefiederten Schlange
leben, der mir guttut und dem ich guttue, weil unsere Leben sich zum Mischen eignen wie Tequila und Limone. Neben jemandem stehen, bei dessen Anblick ich noch mit heißen Wangen lächeln und an der Sonne Schimmer vom Meer denken muss, wenn ich weißes Haar und eine rotzfreche Tochter habe, die Medizin studiert.«
Als sie versuchte sich die Augen klar zu blinzeln, sah sie Martina, die in ihrer Sünde von Kleid vor ihr auf dem Boden hockte. Mit dem Spitzenbesatz ihres Ärmels rieb sie ihr über die Wange. »He, meine Kaffeebohne, weißt du, was das war? Eine Liebeserklärung. Jetzt möchte ich nur noch gern den Kerl sehen, dem sie gilt.«
»Nein, das möchtest du nicht.«
»Weshalb nicht? Ist er verheiratet? Erzähl’s mir, Kathi, ich flehe dich an. Ich liebe Skandale!«
»Das ist mir bekannt, aber ich muss dich enttäuschen. Er ist nicht verheiratet, denn es gibt ihn gar nicht. Oder von mir aus: Ich weiß nicht, ob es ihn gibt.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nicht allzu gern. Lieber wüsste ich, was diese Fragerei bezweckt.«
Martina stand auf und schüttete die Neige der Karaffe ins Glas. »Das erzähle ich dir, wenn du mir sagst, wer der Kerl ist, von dem du nicht weißt, ob es ihn gibt.« Sie ging zu einem der Bäume, pflückte eine unreife Limone und bohrte ihren Finger hinein, bis Saft ins Glas tropfte. »Der Kerl, für den du auf meinem Dach ein Liebeslied singst. Der Kerl, für den du weinst.«
Das Glas schwebte zwischen ihnen. Als Katharina danach greifen wollte, zog Martina es weg. Katharina seufzte. »Nun schön, wenn es dich selig macht. Es ist mein Vetter Stefan. Aber jetzt beklag dich nicht, dass das zu langweilig sei.«
»Stefan?« Martina kreischte geradezu. »Aber Kathi, das ist ja wundervoll! Wenn du wirklich nicht weißt, ob es ihn gibt, dann lass dir von deiner Schülerin sagen: Den gibt es, er ist ein richtiger Goldschatz und dabei genauso ein Blaustrumpf wie du. Ihr zwei passt vielleicht nicht zusammen wie Tequila und Limone, aber bestimmt wie Honigmilch und ein warmes Bett.«
Katharina musste so schallend lachen, dass sie sich verschluckte. »Wie kommt es eigentlich, dass ich dir deine Unverschämtheiten nie übelnehme?«
Martina fuhr sich mit den Händen ins Haar und zerstörte ihre Frisur. »Ich hab’s nicht so gemeint, Kathi. Du weißt nicht, wie viele meiner Bekannten mich schon gefragt haben, ob ich dich ihnen nicht vorstellen kann. Es ist nur – du bist so unnahbar wie die Nebelgöttin Ayauhteotl, und dass ein Mann dein Herz berühren könnte, hätte ich bis vor einer halben Stunde nicht geglaubt.«
»Dann glaub es auch weiter nicht.« Katharina stand auf und sah über die Brüstung auf die tausend Dächer, unter denen Menschen sich zu Tisch setzten, einander von ihrem Tag erzählten, sich stritten oder sich umarmten. »
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer vom Meere strahlt
– das überlasse ich gern der Jugend, und außerdem wohnen wir gar nicht mehr am Meer.«
»Das überlässt du der Jugend? Kathi, du bist gerade sechs Jahre älter als ich!«
»Trotzdem. Für manche Dinge wird man irgendwann zu alt. Und jetzt will ich wissen, warum ich diesem Verhör unterzogen wurde. Du hast es versprochen, Martina. Drücken ist feige.«
Martina schloss beide Hände um das Glas und sah auf einmal jünger aus, als sie war. »Ich wollte wissen, ob du meinst, zu heiraten sei eine gute Idee«, murmelte sie.
Katharina begriff und wunderte sich, dass sie nicht längst damit gerechnet hatte. Martina mochte eine kämpferische Amazone in einem Männerberuf sein, aber sie war für die Liebe gemacht. Etwas in ihrer Brust schien sich zum Klumpen zu ballen, als sie sagte: »Wenn du erst mich fragen musst, ist es keine gute Idee. Aber wenn du die Antwort schon kennst und nur meinen Segen willst – ja, Martina, ich denke, dann ist es eine ausgezeichnete Idee.«
Die Freundin, der Stille so schwerfiel, war lautlos neben sie getreten und nahm ihre Hand. Nebeneinander sahen sie zu, wie sich Dunkel und Schweigen auf die große Stadt senkten, hinter der die schneebedeckten Gipfel der Vulkane glänzten. »Danke«, sagte Martina. »Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort kenne. Du weißt, ich bin kein braves Mädchen. Erst im Juli ist mir einer von Juárez’ Offizieren begegnet, der tausend Sünden wert war und für den ich um ein Haar gestorben wäre. Da fragt man sich doch, ob man künftig solchen Götterlieblingen entsagen kann, um einem einzigen anzuhängen. Aber als du
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