Im Land der gefiederten Schlange
kannst das nicht machen, Vally«, platzte er heraus. »Deine Mutter erträgt es nicht, du bist ihr einziger Sohn. Du willst doch nicht deine Mutter auf dem Gewissen haben.«
Also war Toni wieder einmal im Eisacktal gewesen. Dass er Gefallen an seiner Schwester Therese gefunden hatte, war Valentin nichts Neues, wohl aber dass er sich in seine Angelegenheiten mischte. »Ich bin Marineoffizier«, versuchte er den anderen so knapp wie möglich zu verweisen, »und ich habe jetzt keine Zeit. Du hättest mir schreiben sollen, dass du kommst.«
»Ich habe mich ja gestern erst entschlossen«, entgegnete Toni. »Nachdem deine Mutter deinen Brief erhielt und vor unseren Augen zusammenbrach. Bei der Heiligen Jungfrau, Vally, das kann doch nicht dein Ernst sein. Begreifst du denn nicht, dass diese Kaiseraffäre ein einziger Schmarrn ist?«
»Das habe ich nicht gehört«, fuhr Valentin auf und befreite sich aus Tonis Griff.
»Aber wo lebst du denn? Hat diese Märchenwelt von Miramar dir den Verstand geraubt? Es kann doch ein heller Bursche wie du nicht glauben, man könne heute noch einem Land am Ende der Welt, in dem mehr Affen als Menschen hausen, eine europäische Monarchie aufdrücken!«
»Diese Menschen, die du Affen nennst, haben Max zu ihrem Kaiser gewählt!«
»Gewählt!« Toni warf den Kopf zurück, als wollte er lachen. »Gewählt haben die einen anarchistischen Indianer, den die Franzosen zwar aus der Hauptstadt vertrieben haben, der aber samt seiner Anhänger im Land verblieben ist. Wenn du mich fragst, hat unser Max sich vom Gesäusel einlullen lassen. Der Napoleon hat ihm einen Bären aufgebunden, und jetzt, wo die englischen und spanischen Ratten das Schiff verlassen, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Aber für dich, Vally. Lass dir doch Zeit zum Nachdenken, und wenn du in einem halben Jahr noch immer an diese Mexiko-Sache glaubst, dann melde dich eben in das Freiwilligenkorps. Aber geh nicht, bevor auch nur ein Mensch weiß, was in dieser Wildnis wirklich los ist.«
Mit einem Kopfschwenk wies Valentin nach dem Schloss. »Drinnen ist eine Delegation, die es weiß. Der Herr Guiterrez hat uns gerade berichtet, mit wie viel Hoffnung die Mexikaner Maximilians Ankunft entgegenblicken.«
»Ja, Guiterrez, der seit fünfundzwanzig Jahren keinen Fuß auf mexikanischen Boden gesetzt hat.« Toni schnaufte. »Zum Kuckuck, dann frag doch deinen Guiterrez, warum er nicht mit euch in die geliebte Heimat segelt, wenn dort alles fortan so rosig aussieht.«
Valentin wollte zu einer weiteren empörten Erwiderung ansetzen, doch stattdessen kehrte die Stille zurück, die ihn vor einem knappen Jahr bei der Siegesnachricht aus Mexiko erfüllt hatte. »Kommt es im Leben allein auf rosige Verhältnisse an?«, fragte er. »Sehnt sich ein Mann in seinem Inneren nicht danach, für das, was ihm teuer ist, zu kämpfen?« Sein Herz schlug in kräftigem Gleichmaß. Er sah zu der Fahne auf, die über den Türmen des Schlosses wehte, und hatte sich nie so eins mit sich gefühlt.
Eine Weile schwieg Toni. Dann trat er noch einmal vor ihn und suchte beschwörend seinen Blick. »Beim lieben Herrgott, Vally, deine Mutter hat Angst, dich nie wiederzusehen. Solche Abenteuer eignen sich für Zweitgeborene und Glücksritter, nicht für Männer wie dich, die in der Heimat gebraucht werden. Deine Mutter, die Schwestern, wie sollen sie es ertragen, wenn du in den Tod rennst? Und was ist mit deiner Veronika? Hast du für sie alle überhaupt kein Herz, ist dir ihre Liebe nichts wert?«
»Doch«, erwiderte Valentin. »Aber diese Liebe war eben immer mein, ich bekam sie geschenkt, einerlei, was ich tat. Ich möchte einmal in meinem Leben mich für eine Liebe beweisen müssen. Mehr geben als nehmen. Wenn mir das gelungen ist, kann ich in Frieden sesshaft werden.« Während er seinen Worten nachlauschte, sah er Maximilian auf die Terrasse treten, als hätte das Schicksal ihn in just diesem Augenblick hinausgesandt. Noch ein letztes Mal wollte Toni ansetzen, aber in seinem Blick erkannte Valentin bereits die Kapitulation. »Gib dir keine Mühe«, sagte er versöhnlich. »Für mich gibt es so wenig ein Zurück wie für den Kaiser. Ich habe gestern meinen Eid geleistet.«
»Deinen Eid? Auf den Kaiser von Mexiko?«
Valentin nickte. »Und jetzt muss ich gehen, um von den Kameraden Abschied zu nehmen. Sagst du den Meinigen daheim, dass ich sie liebe? Ich habe sie nie so geliebt wie heute, und ich habe mich nie ihrer Liebe so würdig gefühlt.«
Die für
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