Im Land der gefiederten Schlange
pulsierte, und Wärme, die zum ersten Mal an diesem Tag durch seinen Körper rann.
Am Arm drehte Ferrante ihn zu sich herum. »Nun sagen Sie’s schon. Nur das noch. Wie soll sie heißen?«
Die Stute warf den Kopf mit der fast schwarzen Mähne zurück.
»Katharina«, sagte er.
37
Der Zeremoniensaal von Miramar samt seiner breiten, aufs Meer hinausweisenden Terrasse war aufs festlichste geschmückt. In den Blumenbuketts steckten Flaggen des Kaiserreiches Mexiko, und in den kristallenen Perlen der Kronleuchter schien sich der Glanz des Tages zu spiegeln. Für gewöhnlich war Valentin kein Mann, der sich vom Prunk einer Innenausstattung beeindrucken ließ, aber heute hatte selbst er das Gefühl, von der Herrlichkeit geblendet zu sein. In gebürsteter Galauniform, frisch zum Oberleutnant befördert, stand er in der Reihe der Offiziere, die auf den großen Augenblick warteten. Und dann erklang sie. Die brandneue Kaiserhymne Mexikos.
Die Flügeltüren schwangen auf, und herein trat Kaiser Maximilian, in der Admiralsgala, am Arm Charlotte, seine Kaiserin. Valentin war es von jeher verhasst, sich vor anderen zu erniedrigen, doch als er jetzt das Knie beugte, war es ihm nicht Last, sondern Ehre.
Und morgen geht es nach Mexiko!
Dem Land entgegen, das mit der Kraft der Verzweiflung nach ihnen schrie. Auf dem Tisch, vor den der Kaiser trat, lagen die Dokumente, aus denen deutlich wurde, wie dringlich das gebeutelte Volk nach dem Habsburger verlangte. Noch vor Wochen hatten missgünstige Stimmen gemunkelt, eine Volksabstimmung, wie Maximilian sie wünschte, ließe sich in einem so weiten Land überhaupt nicht durchführen, jetzt aber lagen die Ergebnisse vor. Sechs der acht Millionen Mexikaner hatten Max von Habsburg zum Kaiser gewählt! Einzig und allein auf Wunsch des Volkes trat er die Reise an. In seiner Ansprache vor den Offizieren der Novara hatte er dies eindringlich betont. »Wir gehen in dieses ferne Land, weil sein Volk uns ruft. Nicht, um es niederzudrücken, sondern um es zu erheben. Nicht, um die Kämpfe, die es zerfleischen, anzufachen, sondern um die zerstrittenen Kräfte unter unserer Führung zu versöhnen.«
Hätte Max jenen eisernen Willen, sich seiner Lebensaufgabe zu stellen, nicht besessen, er hätte den Winter der Anfechtungen nicht durchhalten können. Bis zum Schluss sah es aus, als wäre das grandiose Unternehmen zum Scheitern verurteilt, weil Beteiligte ihr Wort nicht hielten oder kleinlich auf Klauseln pochten, die den großen Mann an seine Grenzen trieben. Man sah es in seinem Gesicht. Max war bleich geworden. Erschöpfung und Sorge hatten Furchen in die Stirn des Zweiunddreißigjährigen gegraben.
Es war nicht wenig, was an Mut von ihm verlangt wurde. Sowohl England als auch Spanien hatten die Schutzgarantie für den mexikanischen Kaiserthron verweigert, obgleich dessen Errichtung im Interesse ganz Europas lag. Somit war Max, bis er sich selbst eine Armee aufgebaut hatte, gänzlich auf die im Land befindlichen Franzosen angewiesen. Keine angenehme Lage, auch wenn Louis Napoleon seinen Beistand dauerhaft zugesichert hatte und noch am Nachmittag ein entsprechendes Abkommen unterzeichnen würde. So schnell wie möglich brauchte das neue Kaiserreich sein eigenes Heer und hätte dazu der Unterstützung bedurft.
Kaiser Franz Joseph jedoch würde keinen Finger rühren, obgleich es seiner Bruderpflicht entsprochen hätte. Im Gegenteil, er betonte bei jeder Gelegenheit, das »mexikanische Unternehmen« sei allein Max’ Entscheidung und kein Anliegen Österreichs. Keinen einzigen Soldaten würde er seinem Bruder auf den Weg geben – die Offiziere der Novara hatten ihren Eid bereits auf Kaiser Maximilian leisten müssen, ehe sie morgen mit ihm den Hafen von Triest verließen. Darunter auch ich, rief sich Valentin das Unglaubliche in Erinnerung. Maximilian gab den Versammelten das Zeichen, sich zu erheben, ehe die mexikanische Delegation den Saal betrat. Im Aufstehen trafen sich ihre Blicke, der des Tiroler Oberleutnants und der seines Kaisers. Unwillkürlich nickte Valentin ihm zu und erschrak vor sich selbst. Auf die Lippen des Kaisers aber trat ein Lächeln, ehe er das Nicken erwiderte.
Er war kein arroganter Befehlshaber, sondern einer, der jeden seiner Leute schätzte. Die kalte Schulter seines Bruders, der sogar von ihm verlangt hatte, auf sein Erbrecht in der Thronfolge Österreichs zu verzichten, hatte ihn tief verletzt. Valentin hatte keinen Bruder, und dass eine seiner Schwestern ihn in
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