Im Land der gefiederten Schlange
und Herrn Gruber, an den Hermann und Christophs Jungen und daran, wem wir die Palette Sombreros verkaufen, damit wir im Sommer nicht ohne alles dastehen. Vera, das war ein anderes Leben. Wenn sie noch lebt, dann hoffe ich, es geht ihr gut.«
Sehr langsam und noch immer mit rasendem Herzen entzog Marthe ihm ihre Hände, legte ihm die Arme um den Hals und ihr Gesicht an seines. »Du hast recht«, sagte sie. »Du bist ein stoffeliger Fischkopf. Weißt du noch, was ich in dieser entsetzlichen Nacht, auf Christophs Hochzeit, zu dir gesagt habe? Ich hab’s dir nie wieder gesagt. Ich liebe dich.«
52
»Ich bin Protestant. Wie kann ich Pate eines katholischen Kindes werden?«, hatte Stefan protestiert.
»Kratzt dich das wirklich?«, hatte Felix zurückgefragt. »Ich bin so wenig katholisch wie du, und wenn du Martina fragst, erzählt sie dir womöglich, sie würde zu Quetzalcoatl beten. Wir sind in Mexiko – und im Krieg obendrein. Kein Mensch fragt dich nach deinem Bekenntnis, so wie kein Mensch sich darüber aufregt, dass wir den kleinen Burschen erst Monate nach der Geburt taufen lassen.«
»Aber ich bin unfähig!«, hatte er ausgerufen. »Warum suchst du dir keinen Paten für deinen Sohn, der dazu taugt?«
Felix hatte zu grinsen aufgehört. »Du bist der einzige Verwandte, der mit mir verkehrt«, sagte er. »Mir hätte es gefallen, dich als Paten für meinen Sohn zu haben, aber wenn du das nicht möchtest, weil du Angst hast, Tante Traude stehe kochlöffelschwingend aus dem Grab auf, dann sag’s mir, und die Sache ist erledigt. Nur hör auf, dir Ausreden auszudenken.«
Es war keine Ausrede gewesen. Hätte er selbst einen Sohn gehabt, so wäre ein Schwächling wie er der Letzte gewesen, dem er die Patenschaft übertragen hätte. Als er jedoch begriff, dass es Felix ernst war, hatte ihn Freude gepackt. Er hatte keinen Sohn und würde auch keinen mehr bekommen. Aber er hatte einen Patensohn – Tomás Stefan Benito Hartmann, braun und glutäugig wie ein winziger Aztekenprinz, ein Kind der dritten Generation. Dass ein solches Geschöpf zur Welt kam, mitten im Krieg, bejubelt und geliebt, war ein Wunder. Es machte etwas im Leben heil.
Die Taufe fand an einem glutheißen Junimorgen in einer Kapelle hinter dem Palais statt, und der Täufling war kein zerbrechliches Neugeborenes, sondern ein vor Gesundheit strotzender Prachtkerl, der die Zeremonie hindurch aus vollen Lungen brüllte. Hinterher gab es eine Feier im Palais, nur einen kleinen Umtrunk, denn es herrschte immerhin Krieg. Martina, Felix und ihre Freunde mussten vorsichtig sein, auch wenn zunehmend Chaos in der Stadt herrschte und die Regierung nicht mehr in der Lage schien, Verdächtige zu überprüfen.
Stefan hatte vorgehabt, nach der Messe nach Hause zu gehen. Als sie ins Freie traten, schwärzte sich der leuchtende Himmel, platzte auf und ergoss sich über die festlich gekleideten Gäste. Die wenigen Schritte zum Palais wollten sie zu Fuß gehen, und Martina hakte sich bei ihm ein und zog ihn mit. »Du kommst mit, oder ich lasse die Feier platzen«, drohte sie. »Und dann erzähle ich Tomás die nächsten zwanzig Jahre lang, wer schuld daran ist.«
Martina hatte zweifellos ihre Schwächen, aber sie gab Menschen wie keine andere das Gefühl, erwünscht zu sein. Kein Wunder, dass Felice in ihrem Haus aufblühte. Das junge Mädchen im zartblauen Kleid war kaum wiederzuerkennen. Hermann hatte wie von Sinnen gewütet, als Josephine ihrer Tochter den Auszug gestattet hatte. Noch immer schwor er, als gesetzlicher Vormund werde er die Rückgabe des Mädchens einklagen, sobald Geld dazu da sei, sobald wieder Ordnung herrsche und die Behörden am Schicksal eines bedrohten deutschen Mädchens Interesse zeigten. »Ihre Herkunft ist schon ein Schandfleck«, hatte er sich empört. »Soll der bedauernswerte Wurm noch tiefer in den Abgrund stürzen?«
Stefan sah Felice zwischen Claudius von Schweinitz und seiner Frau durch den Regen laufen und hörte sie lachen. Vielleicht zum ersten Mal seit ihrer Geburt erschien sie ihm nicht bedauernswert.
Martina drückte seinen Arm. »Woran denkst du, Schwiegervetter?«, rief sie durch das Geprassel des Regens. »Nicht an Dämonen, die dich verfolgen, ich bitte dich! Tu mir die Liebe, denk ausnahmsweise einmal an ein schönes Mädchen.«
»Das tue ich!«, erwiderte Stefan ehrlich.
»Nicht an
sie,
hoffe ich!«
Nein, dachte Stefan, nicht an Kathi, deren Name selbst hier zum verbotenen Wort geworden ist. Er konnte es Martina
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